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Kardinolserhiewung . Création cardinalice  
4. Oktober 2019

Sind wir Kardinal?

Ein Beitrag von Georges Hellinghausen

Die Ernennung von Erzbischof Hollerich zum Kardinal durch Papst Franziskus am vergangenen 1. September kam mehr als überraschend – ein Novum und ein Highlight! Über Motive und Beweggründe wurde und wird in der nationalen und internationalen Presse viel spekuliert.

Angeführt werden: gemeinsame Ideale (missionarische Kirche, ökologisches Anliegen, Interesse an der Jugend, Positionierung in Sachen Migration), im selben Orden, dieselben staatskirchlichen Überzeugungen (eine arme Kirche, die unabhängig von staatlichen Strukturen für sich selbst aufkommt) usw. Das braucht hier nicht vertieft zu werden. Fest steht, dass unsere Ortskirche durch diese Kardinalsernennung eine Nähe zu Papsttum und Weltkirche erreicht, die kaum noch zu überbieten ist. Denn mit dem Hirten rückt automatisch das von ihm geleitete Jurisdiktionsgebiet näher an das Zentrum der Kirche heran.

Nun haben wir direktes Stimmrecht in der Weltkirche. Papst sind wir (noch) nicht, aber diesem doch ein gutes Stück näher. „Wir sind Kardinal“ – immerhin, auch nicht schlecht!

Die Achse Rom-Luxemburg erhält damit eine neue Qualität. Im nahen und fernen Ausland wird man die kleine Luxemburger Erzdiözese beneiden. Das gab es noch nicht..., oder doch?

Der selige Kardinal Peter von Luxemburg. Säulenrelief von Auguste Trémont (1936) am neuen Portal der Kathedrale... (Foto: Georges Hellinghausen)

Noch nie dagewesen?

Quod non! Jean-Claude Hollerich ist nicht der erste luxemburgische Kardinal, wie die Presse und viele Kommentare nicht müde werden gebetsmühlenartig zu behaupten. Zwei Beispiele, jeweils von der Titelseite zweier Tageszeitungen am Tag nach der Ernennung (2. September 2019): „Le 5 octobre, l’archevêque Jean-Claude Hollerich va devenir le tout premier Luxembourgeois à intégrer le Collège cardinalice de l’Église catholique.“ (Le Quotidien) „Es ist das erste Mal, dass ein Luxemburger Bischof die Kardinalswürde erhält.“ (Luxemburger Wort)

Bereits im Spätmittelalter gab es einen Luxemburger Kardinal, einen sehr jungen, der zudem noch seliggesprochen ist und also verehrt wird – wenn auch nicht in Luxemburg, wo er nahezu unbekannt ist.

Der selige Peter von Luxemburg, Abkömmling der Luxemburger Grafenfamilie, lebte 1369-1387. Sein Fest wird gefeiert am 2. Juli – jedoch nicht bei uns, da wir, dem deutschsprachigen Regionalkalender folgend, an diesem Tag den alten Termin des Festes Mariä Heimsuchung beibehalten haben.

Peter von Luxemburg lebte zur Zeit des abendländischen Schismas (1378-1417), als die lateinische Kirche gespalten war durch die um den legitimen Papst in Rom sich scharenden und die zum in Avignon im Rhônetal residierenden Gegenpapst haltenden Katholiken. Diese Zweiteilung der Kirche, die streckenweise sogar zu einer Dreiteilung wurde, als drei rivalisierende Päpste parallel regierten, hatte ganz Europa vor und nach 1400 erfasst und eine verheerende Situation herbeigeführt.

Kardinal Peter von Luxemburg

... und in einem Chorfenster der Kathedrale, vom Pariser Künstler Louis Barillet (1937), mit der Inschrift „Beatus Petrus de Luxemburgo“.

Peter wurde am 20. Juli 1369 im lothringischen Ligny-en-Barrois, als Sohn des Grafen Guido von Luxemburg, geboren. In Paris erhielt er seine Ausbildung. Dort wurde ihm bereits in seinem 10. Lebensjahr vom Avignoneser Gegenpapst Klemens VII. ein Kanonikat zugesprochen (Domherr von Notre-Dame); später wurde er in der Pariser Kathedrale zum Diakon geweiht. Zusätzlich wurde er Archidiakon von Dreux und Brüssel sowie Kanoniker in Cambrai. Im Alter von nur 15 Jahren wurde er zum Bischof von Metz und Kardinal ernannt. Dem römisch-deutschen König Wenzel, ebenfalls aus dem Geschlecht der Luxemburger, war es nicht gelungen, seinen Kandidaten Tilmann Vuss von Bettemburg, Vertreter der legitimen Papstlinie, durchzusetzen. Das führte zu heftigen Konflikten in den Städten Metz, Boulay und Diedenhofen.

Mit großer Demut sei Peter auf einem Esel reitend in Metz eingeritten, um seine Diözese in Besitz zu nehmen. Er war sehr asketisch, lebte einfach und bescheiden und teilte Hab und Gut mit den Armen.

Bereits ein Jahr später verzichtete er auf sein Bistum und setzte sich nach Avignon ab, an den Hof des ihm wohlgesinnten Gegenpapstes, der ihn protegierte. Auch hier kümmerte er sich um Arme und Notleidende und widmete sich dem Gebet. Er starb mit 18 Jahren am 2. Juli 1387 in Avignon und wurde dort auf dem Friedhof St.-Michel begraben.

Vom dortigen Volk wurde Peter von Luxemburg als Wundertäter verehrt. Daher wurden seine Gebeine 1395 vom Gegenpapst Benedikt XIII. erhoben und in eine Kirche transferiert. Heute ruhen seine Reliquien in der Kirche St.-Didier in Avignon, wo man sie aufsuchen kann.

Von Interesse ist, dass Peter, als Vertreter der Gegenkirche, doch von der offiziellen katholischen Kirche seliggesprochen wurde, näherhin von Papst Klemens VII., Giulio de‘ Medici, im Jahr 1527. Er ist heute einer der Stadtpatrone von Avignon. In Luxemburg genießt er keine Verehrung. Kaum dass er es, in unserem „Magnificat“ (Nr. 812, S. 917), in die Litanei der luxemburgischen Heiligen und Seligen geschafft hat!

Doch ist er manchen von uns bekannt wegen eines sehr weltlichen, wenngleich nicht unsympathischen Zuges, gibt es doch einen französischen Wein, der seinen Namen trägt: einen Châteauneuf-du-Pape namens „Saint Pierre de Luxembourg“, ein sehr fruchtiger Côtes-du-Rhône! Im Dorf Châteauneuf-du-Pape, nördlich von Avignon, liegt die Kellerei „Caves Saint-Pierre“, in der „Avenue Pierre-de-Luxembourg“.

Etikette des Châteauneuf-du Pape „Saint Pierre de Luxembourg“

Ein fast luxemburgischer Kardinal

Julien Ries (1920-2013) aus der belgischen Provinz Luxemburg, in Fouches bei Arlon, also ganz nahe an der Grenze zum Großherzogtum geboren, war ein bedeutender moderner Religionswissenschaftler, der in Louvain-la-Neuve dozierte. Mehrere Male trat er auch bei uns, im Rahmen von wissenschaftlichen Kolloquien und ähnlichen Veranstaltungen, auf und er war hier angesehen und hochgeschätzt.

Julien Ries, aus der Nähe von Arlon (Fouches) gebürtig, war am 18. Februar 2012 von Papst Benedikt XVI. Kardinal kreiert worden. Das Foto zeigt Kardinal Julien Ries im Rahmen der Eröffnungsandacht der Springprozession 2012 in Echternach. (Foto: Gerry Huberty / Luxemburger Wort)

Zunächst war Ries Vikar in Martelingen (auf der belgischen Seite), danach Dechant in Messancy während neun Jahren und später Religionslehrer in Athus gewesen, alles Grenzorte zu Luxemburg. Er sprach fließend luxemburgisch, wie das im nahe am Großherzogtum gelegenen belgischen Ausland früher allgemein der Fall war, heute aber so gut wie verschwunden ist. Von 1968 bis 1991 lehrte Julien Ries Geschichte der Religionen an der katholischen Universität Löwen (UCL). Als Professor war er international bekannt für seine wissenschaftlichen Arbeiten. Benedikt XVI. hatte ihn 2010 zum Ehrenprälat ernannt – zwei Jahre vor der Erhebung zur Kardinalswürde. Denn um sein theologisches Werk zu würdigen, kreierte derselbe römische Pontifex den 92jährigen Fastluxemburger am 18. Februar 2012 Kardinal, eine Ehre, die dieser lediglich ein Jahr tragen konnte, bevor er verstarb.

Und nun Jean-Claude Hollerich, ein waschechter Luxemburger des 21. Jahrhunderts, Kardinal der Römischen Kirche, Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalis!

Ein bisschen sind wir es auch: Wir sind Kardinal! Und – irgendwie waren wir es schon mal, vor langer Zeit...

Georges HELLINGHAUSEN
georges.hellinghausen@cathol.lu
 
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