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Jahr C (2021-2022)  
31. Oktober 2022

„Wenn es außen still wird, wird es innen laut“

Kommentar zu Allerheiligen und Allerseelen 2022 von Roger Nilles

Die rezente Wüstenerfahrung eines lieben Arbeitskollegen hat mich dazu bewogen, mich in den letzten Tagen mit dem Thema Schweigen zu befassen. Wann schweigt man schon? Er erzählte von seinem Gang durch die Wüste, in der Gruppe und doch mit sich und Gott allein, die Hitze schier unerträglich. Er schilderte die Sehnsucht nach dem nächsten Schluck Wasser, das Be- und Entladen der Kamele, sein Schweigen mit Gott und sprach von dem unbedingten Willen sich trotz Erschöpfung in der Mittagssonne nicht einfach hinzusetzen. In den unendlichen Weiten zwischen Sand und Himmel zählt nur der nächste Schritt, auf dem Weg durch die Wüste hindurch wird das Leben auf das Wesentlichste reduziert, ein Gebet und ein schmales Heft für Notizen im Gepäck… Ergriffen schwieg ich, was hätte ich auch sagen sollen.

Seine eindrückliche Schilderung aber führte mich Tage später dazu, ein eher unscheinbares, aber lesenswerte Büchlein von Prof. em. Gisbert Greshake, den es immer wieder in die Wüste zog, wieder zur Hand zu nehmen. „Die Wüste bestehen“, so der Titel – wie eine Prüfung. Die Erzählung wird eingeleitet mit einem Wort von Charles de Foucauld, dem Wüstenmissionar, der im Mai von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde: „Schweigen bedeutet ganz das Gegenteil von Vergessen und Kälte; im Schweigen liebt man am glühendsten; oft ersticken Lärm und Worte das innere Feuer.“ Erfülltes Schweigen, die lebensfeindliche Wüste scheint dafür ein besonders geeigneter Ort zu sein. Die Rede ist nicht von peinlicher Stille oder betretenem Schweigen, sondern vom „heiligen Schweigen“ als Teil des (gemeinschaftlichen) Gebets und der nonverbalen Kommunikation mit Gott. Doch, ich wiederhole mich, wann suchen wir nicht nur einfach Stille, um kurz unsere Ruhe zu haben, wann schweigen wir?

Vielleicht in den Wüsten des eigenen Lebens, wenn Worte nicht reichen und man sich vertrauensvoll tiefer fallen lassen muss, vielleicht aber auch am Grab eines lieben Verstorbenen, in diesen Tagen um Allerheiligen und Allerseelen, wenn der Wind mit den welken Blättern fast lautlos spielt. „Als sein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte er immer weniger und weniger zu sagen; zuletzt wurde er [der Betende] ganz still“, heißt es in Søren Kierkegaards „Die Lilie auf dem Felde und der Vogel unter dem Himmel“. Und der Philosoph und Theologe führt seinen Gedanken weiter: Wer schweigt, der wird zum Hörer. „Wenn es außen still wird, wird es innen laut“, weiß Bruder Cornelius Bohl, der sich ebenfalls mit dem Thema Schweigen befasst hat, aus eigener Erfahrung*. Eine absolut bedeutsame Erkenntnis im Leben, in dem es außen meist laut und innen selten still ist. Der ehemalige Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz – „Wer reden will, muss schweigen lernen“ – zitiert den großen Theologen Romano Guardini: „Das Wort ist nur dann wesenhaft und mächtig, wenn es aus dem Schweigen kommt“. Und bei Dietrich Bonhoeffer klingt das so: „Stille vor Gott bedarf des täglichen Mutes, sich Gottes Wort auszusetzen“. Verkürzt könnte man diese weisen Gedanken so fassen: Beten ist schweigen, hören, reden mit Gott – in dieser Reihenfolge.

Lassen wir in diesen Tagen Stille zu, geben wir dem Schweigen Raum, hören wir intensiv hin… und wir werden anders reden als zuvor.

Roger Nilles

Bistumskanzler

 
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