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Jahr A (2022-2023)  
16. Februar 2023

Ein Bundesgenosse des Umdenkens

Kommentar zum 7. Sonntag im Jahreskreis von Winfried Heidrich (19.2.2023)

„Hier, auf diesem steinigen Boden, hat er die gewaltigste Rede gehalten, die ich kenne, die Rede der Reden, aus dem Judentum geboren, aber sicher hat er nicht in einer Kirche geredet.“ So schreibt Friedrich Dürrenmatt über die Bergpredigt Jesu in seinem Buch „Zusammenhänge“, nachdem er mit einem Freund beim See Genezareth unterwegs war. Er wollte nicht aus dem Auto steigen, wegen der Kirche, die am Ort der Bergpredigt errichtet worden war und die in seinen Augen für Ideologie und Dogmatismus steht. Eine Kirche, die zudem 1937 mit Unterstützung des italienischen Diktators Mussolini erbaut wurde.

Das Evangelium nach Matthäus (5,38-48) aus der Bergpredigt konfrontiert uns mit Forderungen, die befremden: wie ist solches Handeln möglich? Einem, der das Hemd fordert, gleich noch den Mantel lassen? Sich derart verletzlich zeigen und die Wange zum Schlag hinhalten? Jesus stellt geltende Werte in Frage, wenn er - über die in der Tora geforderte Liebe zum Nächsten (Levitikus 19,17) hinaus - die Liebe zum Feind fordert. Die Bergpredigt, eine lange Rede voller Gleichnisse, liest sich von Jesu Lebensende her wie sein Vermächtnis, gesammelt von seinen Jüngern und Jüngerinnen, weitererzählt und nach und nach aufgeschrieben. Welchen Bestand kann diese Rede für uns heute haben, welchen Beistand kann sie geben?

Inmitten einer Welt politischer, religiöser und ökonomischer Konflikte und Kriege - damals wie heute - verweist die Bergpredigt auf kein abstraktes Gottesbild, sie stellt vielmehr den vermeintlich feindlichen Nächsten als praktische Aufgabe vor uns. Gott ist diese Liebe oder gar nicht. Der jüdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide spricht in diesem Zusammenhang von „Entfeindung“. Die Rede Jesu konfrontiert uns implizit mit unseren Vorurteilen, die andere Menschen und Gruppen schnell zu Feinden erklären. Wie tief müssen wir in uns blicken, um auf „Feindesland“ zu stoßen? Was gibt fremden Menschen und anderen Sichtweisen Raum in mir? Was verhindert, dass ich hasse?

Die Bergpredigt ist die Mitte des Neuen Testaments, das hat Dürrenmatt als Sohn eines Pfarrers genau erkannt. Jesu Rede will seine Zuhörer mit diesen starken Worten zur Umkehr bewegen. „Der verinnerlichte Gott der Dauer, der Stabilität und Sicherheit erweist sich als gefährlicher Komplize des Immobilismus und der menschlichen Trägheit. Notwendig wäre ein Bundesgenosse des Umdenkens, der Innovation und Umkehr, der Gott ja auch tatsächlich ist.“ (Tiemo Rainer Peters)

Die katholische Kirche predigt das Evangelium der Feindesliebe und bleibt selber nur eingeschränkt fähig zur Freundesliebe. Die Ideologie ihrer kirchlichen Dogmatik verbietet ihren Mitgliedern, das Abendmahl zu empfangen und verweigert umgekehrt evangelischen Christen den Empfang der Eucharistie. Wie will sie glaubwürdig ihrem friedens- und gemeinschaftsstiftenden Auftrag nachkommen, wenn sie nicht Menschen aller christlichen Konfessionen an ihren Tisch lädt und mit ihnen Mahl hält, mit Jesus Christus in ihrer Mitte? „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)

Winfried Heidrich

 
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