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Bicher-Rezensiounen . Recensions de livres  
29. April 2020

„European branding“ unter Karl dem Großen

Neuerscheinung würdigt die gesamteuropäische Bedeutung der Evangeliare der karolingischen Hofschule

Die Verdienste der karolingischen Hofschule in Sachen Kunst und Liturgie stehen im Mittelpunkt einer Neuveröffentlichung, die auf rund 540 Seiten 20 Beiträge renommierter Fachleute zu den Prachthandschriften der von Alkuin, dem berühmten Biographen des heiligen Willibrord, geleiteten Hofschule Karls des Großen enthält. Die Trierer Stadtbibliothek, welche mit dem Ada-Evangeliar im Besitz eines der Hauptwerke dieser karolingischen Hofschule ist, hat vor zwei Jahren eine internationale Tagung über die kaiserliche Hofschule ausgerichtet. Um die gesamteuropäische Bedeutung des Ada-Korpus zu würdigen, wurde parallel zur Tagung ein Antrag auf Erhebung in das Weltdokumentenerbe der UNESCO gestellt. Eine Entscheidung der Internationalen Kommission wird für 2021 erwartet.

Europäische Vernetzung liturgischer Texte

Die Tatsache, dass neben der Trierer Stadtbibliothek die Hüter der Ada-Kodizes renommierte Häuser sind – und keine geringeren wie die Bibliothèque Nationale de France, die Bibliothèque de l’Arsenal, die Österreichische Nationalbibliothek, die British Library, das Victoria and Albert Museum und die rumänische Nationalbibliothek –, ist umso interessanter, weil die Initiative der UNESCO-Bewerbung aus der Stadt Trier hervorgeht. Mit dem Codex Egberti besitzt die älteste Stadt Deutschlands bereits einen Eintrag in dem 1992 von der UNESCO gegründeten Verzeichnis des Weltdokumentenerbes, aber die Aufnahme des Ada-Evangeliars im Verbund mit den anderen karolingischen Handschriften würde der Bibliothek wie dem zwischen 780 und 810 entstandenen Ada-Evangeliar einen deutlichen Schub nach vorne geben, so Prof. Dr. Michael Embach, Direktor der Stadtbibliothek Trier.

„Die Ada-Handschriften waren damals eine europäische Kulturinitiative Karls des Großen, dem Stammvater Europas. Mit dem aktuellen UNESCO-Antrag reaktivieren wir die uralten Kontakte des karolingischen Reiches. Die in der Hofschule entstandenen Prachtkodizes zeugen nicht nur von der engen Bindung Karls des Großen mit der Produktionsstätte, sondern sind Zeichen des Vertrauens zwischen dem karolingischen Hof und seinen europaweiten Empfängern. In einzigartiger Weise legen diese Bilderhandschriften Zeugnis ab vom Selbstverständnis und Anspruch der karolingischen Epoche, als deren künstlerischer Ausdruck sie gelten. Die gesamteuropäische Initiative für die Aufnahme der Handschriften der Ada-Gruppe in das Weltdokumentenerbe hat somit eine kulturhistorische Dimension“, unterstreicht der Direktor der Stadtbibliothek Trier.

Auf höchstem künstlerischen Niveau

Bereits in den 1950er Jahren als der Luxemburger Journalistenverband sich das Ada-Evangeliar in Trier durch den damaligen Direktor Schiel zeigen ließ, heißt es über die zur Ada-Gruppe gehörenden Handschriften: „Wie ein Wunder steht nach den bescheidenen Werken, die der Kontinent in vorkarolingischer Zeit hervorgebracht hat, hier eine Schöpfung von höchsten künstlerischen Ansprüchen, von vollendeter Qualität der Stilbildung und Sicherheit in der Handhabung der technischen Mittel vor uns“.

Die Beiträge bekräftigen einmal mehr, dass sämtliche Kodizes der Ada-Gruppe auf höchstem künstlerischen Niveau sind und von den damals bedeutendsten Künstlern in Purpur eingefärbt und mit Gold- und Silbertinte geschrieben wurden. Prof. Dr. Embach spricht von einer Pionierleistung der karolingische Hofschule: „Insgesamt bildet die Hofschule als internationale Gruppierung von Persönlichkeiten eine Neuerung, weil die Handschriften nicht in einem Kloster sondern erstmals auf einem weltlichen Hof entstehen“. Und doch ist der rote Faden der Handschriften die religiöse Thematik, denn es sind rein kirchliche Texte für den liturgischen Gebrauch. Auch hätten die neun Handschriften einen ähnlichen Aufbau, ähnliche Kanonbögen der Evangelien, ähnliche Bilder und ähnliche Schrift. „Die individuelle Handschrift zeigt aber deutlich, dass nicht in Serie produziert wurde. Alle Werke sind also hochkarätige Unikate“, ergänzt der Direktor der Stadtbibliothek Trier.

Die 4 Evangelien als politisches Geschenk

Johannes. (Copyright : Trierer Stadtbibliothek)

Der kaiserliche Hof in Aachen war ein Sammelbecken bedeutender Gelehrter und Künstler. Sie beschäftigten sich mit Fragen des Rechts, der Kirche, der Verwaltung, der Bildung und der Kunst. Ein wichtiger Wirkungsbereich der Hofschule bestand in der Herstellung prunkvoller Handschriften. Karl der Große verfolgte mit diesen Werken zunächst politische Ambitionen. Trotzdem waren die Handschriften noch ganz dem Bereich von Kirche und Liturgie verhaftet. Die weitaus meisten Handschriften enthielten die vier Evangelien. Werke profanen Inhalts fehlen völlig. Sämtliche Handschriften der Hofschule gingen als Widmungsgeschenke an hohe Würdenträger von Kirche und Reich. Ihre Aufgabe war es, die Verbindungen zum kaiserlichen Hof zu stärken, um auf diese Weise die weltliche und kirchliche Elite mit in die Verwaltung des Reiches einzubinden. In ihrer majestätischen Ausstattung und ihrem anspruchsvollen Bildprogramm bezeugen die Handschriften den Stand der Kunst und Kultur um 800. Zugleich geben sie das Herrschaftsideal Karls der Großen zu erkennen, der sich ganz bewusst in die Tradition der römischen Kaiser stellte. Auch die römischen Kaiser kannten die Praxis der Widmungsgabe, auch sie benutzten hierzu Werke der Kunst. Ganz folgerichtig ließ Karl der Große sich auf den Einbänden des Ada-Evangeliars und des Lorscher Evangeliars als Nachfolger des römischen Kaisers Konstantin feiern.
Der eben erschienene Tagungsband beleuchtet sämtliche Handschriften der sogenannten Ada-Gruppe unter künstlerischen, historischen, politischen, liturgischen und musikalischen Aspekten.


Die Handschriften der Hofschule Kaiser Karls des Großen. Individuelle Gestalt und europäisches Kulturerbe. Hrsg. von Michael Embach, Claudine Moulin und Harald Wolter-von dem Knesebeck. Trier: Verlag für Geschichte und Kultur, 2019. 539 S. Zahlr. Farbabb. ISBN: 978-3-9457. 56,00 €

Marc JECK
 
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