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Jahr A (2019-2020)  
11. Juli 2020

Das Samenkorn und der Acker

Kommentar zum 15. Sonntag im Jahreskreis von Mathias Schiltz (12.07.2020)

Der Sämann schreitet aus, beschwingten Schrittes. Mit ausholender Gebärde streut er den Samen aus, großzügig, unbesorgt wo er gerade hinfällt auf dem kargen, teils felsigen, teils von Unkraut überwucherten palästinensischen Boden. Er vertraut auf die überschwängliche Keimkraft des Samens. So kann er guten Mutes auf eine einträgliche Ernte hoffen.

An diese Erfahrung knüpft Jesus mit seinem Gleichnis an. Der Same steht für das Wort Gottes. Gott hat diesen Samen in überbordender Hülle und Fülle ausgestreut. „Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit“ (Röm 1, 20). Zuletzt aber, in der Fülle der Zeiten, ist Gott selbst zum Wort geworden und hat in Jesus von Nazareth sein letztes, sein endgültiges Wort gesprochen, ein Wort vorbehaltloser, sich grenzenlos verschenkender Liebe. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13).

Trotz alledem bleibt das Echo auf das kraftvolle Zeugnis des Wortes enttäuschend, gerade in unseren Tagen, wie der Pastoraltheologe und Soziologe Paul M. Zulehner in Bezug auf unsere westlichen Gesellschaften kürzlich aufgezeigt hat (Herder Korrespondenz 6/2020):

  • Schroffe, felsenharte Ablehnung bei einem Viertel (Atheisten und Atheisierende): „Gott ist eine literarische Erfindung. Es gibt keinen Gott“ (Marcel Reich-Ranicki);
  • Verwandt mit ihnen die vielen, die lediglich an die (Natur)Wissenschaft glauben und anscheinend keine Antenne haben für das Mehr „zwischen Erde und Himmel“ (Hamlet);
  • Die große Masse bilden die Skeptiker, die Suchenden, welche die französische Religionssoziologin D. Hervieu-Léger die Pilger nennt: Wanderer zwischen verschiedenen Welten.
  • Daneben, gottseidank, so Zulehner, einen freilich über Jahrzehnte hin schrumpfenden Anteil von „Unsterblichen“, die an die Auferstehung Christi und an die eigene Auferstehung glauben.

Ist das nicht eine recht spärliche Bilanz? Können wir uns da noch mit der Erklärung trösten, es liege an der Beschaffenheit des Bodens? Wenn der Glaube eine Gnade ist, müsste diese Gabe dann nicht auch die Bereitung des Bodens mit einschließen?

Doch das Erdreich, das den Samen des Wortes aufnehmen und zur Reife bringen soll, ist das Herz des Menschen, dem Gott die Gabe der Freiheit geschenkt hat. Mit diesem Geschenk hat Gott der eigenen Allmacht eine Grenze gesetzt, die er absolut respektiert. Die Gnade des Glaubens ist ein Angebot (Proposer la foi), nie eine Vereinnahmung unserer Freiheit.

Doch wie ein Samenkorn überwintern kann, so bleibt uns auch das Angebot der Glaubensgnade zeitlos erhalten. Auch nach der Verstrickung im Dornengestrüpp der Konsum- und Spaßgesellschaft, auch nach der Verblendung durch das Gepränge der angeblich allwissenden Wissenschaft! Wie sagt doch Werner Heisenberg, der Begründer der Quantenmechanik: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“.

Unentwegt, meist unbemerkt, glimmt der Docht der Glaubensgnade weiter, fähig unvermittelt zu einer hellen Flamme aufzulodern. Diese Gewissheit ist eine Hoffnung für die vielen und nicht zuletzt auch ein Trost für das eigene wankelmütige Herz. Für gläubige Christen aber ist sie Aufruf und Pflicht zum Zeugnis. Denn „der Glaube wächst durch Anziehung, nicht durch Proselytenmacherei“ (Papst Franziskus).

Quelle: Luxemburger Wort

Mathias SCHILTZ
mathias.schiltz@cathol.lu
 
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