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Jahr A (2019-2020)  
2. Januar 2021

Die Seinen nehmen ihn nicht auf

Kommentar zum Festtag der Ephiphanie von Winfried Heidrich (03.01.2021)

Als ein Eingangstor, durch das der Leser die Welt des Johannesevangeliums betritt, bezeichnet Ludger Schenke den Prolog des heutigen Sonntagsevangeliums. (Joh 1,1-18) Der Text bezieht sich auf das erste Kapitel der Genesis, den Anfang der jüdischen Bibel. Durch diesen poetisch und theologisch dichten Prolog ziehen dann im folgenden die Erzählungen des Johannes über Jesus. Der Prolog hat zugleich „den Charakter eines Epilogs, der zurückblickt und ein Fazit zieht.“ (Schenke) Ein trauriger Satz ist diesem Fazit eingeschrieben: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Dreimal ist im Prolog von Formen der Verweigerung die Rede. Zuerst nimmt die Finsternis das Licht der Welt (Jesus) nicht an. Zum zweiten kommt der Logos - das Wort Gottes - in die Welt, „aber die Welt erkannte ihn nicht.“ Und dann noch stärker: Er, der Logos, „kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Diese dreimalige Weigerung dem „fleischgewordenen“ (Joh 1,14) Wort Gottes gegenüber zieht sich als theologisches Leitmotiv durch den Prolog. Das Evangelium, das wie kein anderes von der Beziehung und der Liebe Gottes zu den Menschen handelt, spricht in seinem Prolog von der Ablehnung des Gottessohnes.

In den Texten des Johannesevangeliums stoßen wir auf Erzählungen dieser Ablehnung. So etwa in der Begegnung Jesu mit der Samariterin (Joh 4,7-30), in der seine Jünger nicht verstehen, wie er mit einer Frau sprechen kann, zu der Juden gemeinhin keinen Kontakt pflegen. Oder die Begebenheit mit der Ehebrecherin (Joh 8,1-11), die Jesus nicht verurteilt, die aber nach geltendem Gesetz - so die Schriftgelehrten - gesteinigt werden müsste. In aller Öffentlichkeit besteht Jesus auf der Würde der beiden Frauen und läßt sie so als Menschen sichtbar werden. Seine geringe Berührungsangst Fremden oder Andersgläubigen gegenüber erschreckt Jünger und Schriftgelehrte, stellt doch Jesus diese Begegnungen über herrschende Gebote: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Wir Christen lesen die Bibel nicht nur als historischen Text, sondern als lebendiges Wort Gottes. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Das Johannesevangelium ist zunächst an Christen seiner Zeit gerichtet. Aus vielen kleinen Urgemeinden ist später die Kirche entstanden. In 2000 Jahren Christentum hat die katholische Kirche mit ihrem Universalanspruch ein großes Gebäude von Lehren und Dogmen errichtet, in dem sie ihren Jesus Christus erklärt und zu erfassen versucht. Die groß und mächtig gewordene Kirche hat dabei vergessen, dass sie ihre Identität nicht aus sich selber hat. Ihre Identität kommt von Gott her und ist nur geliehen.

Auch heute gilt, dass viele der „Seinen“, in ihren theologischen Mustern festgefahren, ihn nicht erkennen. „Er kommt in sein Eigentum und die Seinen nehmen ihn nicht auf.“ Der Satz im Präsens gesprochen markiert einen gebotenen Abstand, der die Botschaft Jesu vor religiöser Vereinnahmungen von innen schützt. Er spricht einen eschatologischen Vorbehalt aus: nie ist das letzte Wort gesprochen oder gar festgelegt und es ist womöglich alles ganz anders. Anders, wie in der Erfahrung des Propheten Elija, dem Gott sich eben nicht nicht groß und mächtig, sondern in einem „sanften, leisen Säuseln“ (1 Könige 19,12) zeigt.

Gott fehlt uns Menschen heute in einer existentiellen Weise, wenn wir schmerzlich feststellen: „Er kommt in sein Eigentum und die Seinen nehmen ihn nicht auf.“ Dieser Gedanke spricht uns in unserer verloren gegangenen Gottesgewissheit an. Er spricht die Menschen an, die Gott vermissen. Hier und jetzt, mitten in ihrem alltäglichen Leben. „Der Glaube ist weder zu gewinnen noch zu bewahren ohne die Zeit. Gott ist ein Zeitwort. Das bedeutet, dass er ein stets kommender ist und der Glaubende ein ständig Gehender, weil er sich auf diesen kommenden Gott zubewegt und ihm so den Weg bereitet - in der Spur Jesu.“ (Tiemo Rainer Peters)

Winfried HEIDRICH
 
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