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Jahr B (2017-2018)  
2. Dezember 2017

Seid wachsam!

03.12.2017

Mk 13, 24-37

Dreimal wird im Evangelium des 1. Adventssonntags der Leser zur Wachsamkeit ermahnt: „Was ich euch aber sage, das sage ich allen: Seid wachsam!“ Dreimal wird das gesagt! Als wären wir schwerhörig! („Bitte?“)

Denn, so heißt es weiter, ihr wisst nicht, wann der Hausherr zurückkommt und Rechenschaft von seinen Dienern fordert für das ihnen anvertraute und zu verwaltende Gut. Mit diesem Evangelium und seiner Mahnung zur Wachsamkeit betreten wir das Spielfeld des Advents.

Das Wort „Wachsamkeit“ lässt an den bekannten Gedanken einer „Mystik der offenen Augen“ von Johann Baptist Metz denken. Metz spricht davon, dass Jesus die Menschen eine gesteigerte Aufmerksamkeit gelehrt hat für das Leid und die Nöte der Welt. Metz nennt diese Art der Frömmigkeit „politische Spiritualität“ und grenzt diese von einer Mystik der geschlossenen Augen ab, die in reiner Innenschau sich um die Welt in keiner Weise schert. Doch es geht im Evangelium nicht nur um die Wahrnehmung des Leids und der Nöte, ebenso lehrt Jesus die Menschen die Aufmerksamkeit für die Schönheit des Lebens, die oft neben uns steht und geht und die wir keines Blickes (mehr) würdigen.

Die Aufforderung zur Wachsamkeit transportiert zunächst einmal keinen Inhalt, kein Regelwerk, keine Gebote. Die Wachsamkeit selbst ist die erste Aufgabe. Sie versetzt uns in den schwierigen Aggregatzustand der Freiheit. Diese Sicht des Evangeliums auf den Menschen, Glaube nicht als Erfüllung überwachter Gebote zu verstehen, sondern als eine existenzielle Haltung wachsamen Lebens führt zum Suchen, Fragen, zu Wandlungen, ja zu einer spirituellen Hingabe – alles Eigenschaften, die eine religiöse Reife ausmachen. Wer wachsam ist, ist anders eigenverantwortlich als der, der gehorsam ist. Religiöser Halt, der von Außen kommt, ist oft Freiheitsberaubung. „Ein Käfig ging einen Vogel suchen.“ schrieb Kafka und könnte damit einen Umgang mit Religion gemeint haben, der dem Freiheits- und Eigensinn des heutigen Evangeliums entgegensteht.

Erfüllte Augenblicke, oder gar ein erfülltes Leben, haben die eigene Wachheit und das eigene (unsichere) Urteil zur Bedingung. Sie erfordern vor und neben jeglichem gesellschaftlichen Engagement eine gewisse Abstinenz, ja, eine Fremdheit gegenüber der Ungeduld der Welt. Was nehme ich wahr, wenn ich mich umsehe und hinhöre? Lasse ich mich ablenken in meiner Wahrnehmung dessen, was um mich herum stattfindet? Wie sehe ich die Welt im Nebel der Klimakonferenzen, der (nicht nur) Luxemburg-Leaks, der Flüchtlinge, die mich, wenn ich ihnen nicht ausweiche, mit ihrer fremden Sprache und Welt berühren? Wie begegne ich als Leser der Bibel und Hörer des Evangeliums den religiösen Fundamentalismen in Weltanschauungen, Religionen und Konfessionen? Den Fundamentalismen und Ausgrenzungen in meiner eigenen katholischen Kirche? Wie wach bin ich gegenüber den starren und unversöhnlichen Stimmen in mir selber?

Hören, sehen, mit allen Sinnen wahrnehmen, wie es in der Welt und zwischen den Menschen zugeht. Es entsteht das Bild einer aktiven, das eigene Leben immer wieder neu wahrnehmenden Spiritualität. Wachsamkeit, Aufmerksamkeit waren für Simone Weil Synonyme für Spiritualität: „Das Wesen des Gebets besteht in der Aufmerksamkeit.“ schreibt sie. In eine solche Wachsamkeit ruft uns das Evangelium dieses Sonntags zur Vorbereitung auf Weihnachten. Wer fragt, auf was er/sie nun zu achten habe, wird enttäuscht werden. Selbst und erst recht die „Zehn Gebote“ fordern Wachheit für das ethisch Angemessene und Richtige, welches jeder/jede in freier Verantwortung zu tun sich verpflichtet sieht.

Der Boden unter den Füßen der eigenen Wachheit ist schmal. Aus ihm wächst die Hoffnung, mit dem eigenen kleinen Leben die Welt zu verändern.

Quelle: Luxemburger Wort

Winfried HEIDRICH
 
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