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Jahr B (2020-2021)  
17. September 2021

Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein, besonders der Kleinen.

Kommentar zum 25. Sonntag von P. Jean-Jacques Flammang (19.9.2021)

Vor kurzem ist mir in einem guten Bücherladen ein kleines Buch aufgefallen mit dem anziehenden Titel « L’évangile d’une femme. Une lecture de l’évangile de saint Marc », ein Buch also, indem zwei protestantische Pastoren von der Annahme ausgehen, das Markusevangelium wäre nicht wie die andern Evangelien von einem Mann, sondern von einer Frau verfasst worden.

Warum eigentlich nicht? In der Bibel selbst ist nicht festgehalten, wer die Evangelien geschrieben hat, und so verwendet die Kirche denn auch die Bezeichnung „Evangelium nach…“, womit angedeutet sein will, dass die Evangelien wohl auf Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zurückgehen, nicht aber dass diese sie selbst oder alleine verfasst hätten.

Das Markusevangelium könnte also durchaus von einer Frau niedergeschrieben worden sein, zumal die Mädchen im ersten Jahrhundert nach Christus in der damaligen römischen Gesellschaft, wo das Markusevangelium entstanden ist, durchaus eine gute Ausbildung genießen konnten und wo auch zahlreiche Frauen Texte verfassten und veröffentlichten. Vielleicht hat die christliche Gemeinschaft um Markus sich damals an eine literarisch talentierte Christin gewandt, um das von Markus und Paulus Gepredigte und Erzählte in einer neuen literarischen Form niederzuschreiben. Denn es musste, um aufzuschreiben, was wir heute im Markustext lesen, die Evangeliumsform erst geschaffen werden. Und Frauen, so sehen wir das heute, sind literarisch oft kreativer als Männer, was allein schon ein gutes Argument wäre, den schönen und beeindruckenden Markustext einer Frau zuzuschreiben.

Am Sonntag lesen wir, wie Jesus seinen Jüngern erläutert, wer denn der Größte von ihnen ist. Damals ging es den Jüngern nicht um Gleichberechtigung von Mann und Frau, auch nicht um Auflösung der geschlechtlichen Polarität in Folge einer zeitgenössischen Gendertheorie. Es ging den Zwölf ganz einfach darum zu wissen, wer von ihnen eines Tages, wenn Jesus einmal nicht mehr da ist, der Erste von ihnen sein wird.

Jesus gibt auf ihre Frage eine verblüffend einfache Antwort: « Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein ». Um sein Wort zu veranschaulichen stellt Jesus ein Kind in ihre Mitte. Drei der Evangelisten beschreiben uns diese Szene, aber nur Markus - oder müssen wir sagen Frau Markus - bemerkt dabei, dass Jesus das Kind « in seine Arme nimmt ». Dafür ist ein sehr liebesvolles Wort verwendet, das im ganzen neutestamentlichen Griechisch nur im Markustext vorkommt. Frauen haben eben einen anderen Blick und eine andere Sprache; sie unterstreichen oft das, was Männern nicht einmal auffällt.
Der Erste ist also der liebevolle Diener aller, besonders der Kleinen, die nicht zählen, die schnell beiseite geschubst und vergessen werden. Und das Wort, das hier für « Diener » verwendet wird, ist weder « Knecht » noch « Sklave », sondern auffälligerweise « Diakon », ein Wort, das schon in den ersten Christengemeinden ein kirchliches Amt bezeichnet.

Sollen eines Tages Frauen zum Diakonenamt berufen werden, dann soll sich die kirchliche Gemeinschaft an diesen Markustext erinnen, um die wahre Bedeutung dieses, wie überhaupt jeden kirchlichen Amtes neu aufscheinen zu lassen. Ganz gleich, ob das Markusevangelium nun von einer Frau oder einem Mann verfasst wurde, es möge als lebendiges Wort Gottes unter uns weiter wirken!

Jean-Jacques FLAMMANG SCJ
 
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