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7. Mai 2016

Einheit in der Vielfalt

08.05.2016

Joh 17,20-26

Heilig und helfend zu sein, sind beinahe gleichbedeutende Worte. [1]

2007 erschien das Buch „Ich habe meine Sache hier getan“ [2] von Hans Halter. Der Autor berichtet darin von den letzten Worten von 154 berühmten Personen – seien es jetzt überlieferte oder legendäre Aussagen. Allen gemeinsam ist wohl die Tatsache, dass es Worte sind, die ein ganzes Leben auf den Punkt bringen. Kurz vor dem Tod ist kein Platz für lange, ausgefeilte Reden oder Belanglosigkeiten.

Am Ende seines Lebens setzt sich der Mensch, soweit es ihm noch möglich ist, mit seinem Leben auseinander. Was war wichtig und was kann ich den Meinen mitgeben?

Der Evangelist Johannes beschreibt eine ähnliche Situation aus dem Leben Jesu. Jesus hat mit seinen Freunden ein letztes Mal gegessen, getrunken und gesprochen. Er weiß, dass er das Ende des nächsten Tages nicht mehr erleben wird. Ein wichtiger Lebensmoment. Deshalb ist es für Jesus an der Zeit, seinen Freunden sein „Vermächtnis“ ans Herz zu legen. Jesus gibt keine detaillierten Aufforderungen und stellt keinen Katalog mit Gesetzen, Geboten und Verboten auf.

Jesus organisiert nichts, er macht etwas ganz anderes. Er betet. In seinem Gebet bittet er seinen Vater um Einheit. So wie er mit dem Vater eins ist, so sollen „alle eins sein.“

Einssein, Einheit – was ist darunter zu verstehen? Für viele bedeutet Einheit Gleichmacherei, völlige Unterordnung, ja Unterwerfung, kein eigenes Leben mehr führen zu dürfen. So sein zu müssen, wie es von einem verlangt wird.

Das versteht Jesus aber nicht unter Einheit, denn es wäre absurd, alle gleichmachen zu wollen. Das hat er weder gepredigt noch vorgelebt. Für Jesus heißt Einheit eben nicht sich selbst aufzugeben. Jeder kann und muss unverwechselbar bleiben. Und doch kann man zu dem großen Ziel gelangen.

Lassen Sie mich diesen Gedanken mit einem Bild verdeutlichen. In jedem Film gibt es die verschiedensten Rollen, vom Gutmenschen bis zum Schurken. Jede Figur hat ihren eigenen Text, ihre eigenen Szenen zu spielen. Dabei tut jeder Schauspieler sein Bestes, damit der Film gelingt und überzeugt. Das allein reicht aber nicht aus. Alles muss koordiniert werden, damit aus den verschiedenen Szenen ein Film wird. Dazu müssen sich alle auf den Regisseur verlassen, denn er hat das Ganze im Blick, an dem sich der Zuschauer erfreuen soll.

In seiner Bitte um Einssein gibt Jesus den Weg vor. In der Unternehmersprache würde man von „corporate identity“ sprechen, denn Jesus macht deutlich, woran man seine Freunde erkennen kann und wie sie seine Botschaft verkörpern. Sie sollen eins sein, so wie Jesus und der Vater eins sind. Dann müssen sie nicht „im Nebel wandern, (wo) kein Mensch den anderen kennt“ [3] und jeder allein ist. Jesus ist der Weg, der das Gegenteil von Einsamkeit, nämlich den Gott der Liebe aufzeigt.

Das haben schon die ersten Christen deutlich gemacht, die eine Einheit in der Vielfalt bildeten. Sie kamen sowohl aus dem Judentum wie aus der griechischen Religion, sie waren sowohl Freie wie Sklaven – aber alle sprachen sich mit Bruder und Schwester an. Eine große Familie mit dem Erkennungszeichen der Einheit in der Liebe. Diese Haltung hat überzeugt und wird auch noch weiterhin überzeugen.

Glauben und dann Einssein und dann die Welt verändern, zu einer lebenswerten Welt zu machen, das kann man nicht aus dicken Büchern oder langen Predigten lernen. Das kann man nur durch das Erleben, dass die Christen in Jesus eins sind, ihn als ihre Mitte sehen und mit ihm anderen und sich selbst den Frieden bringen.

In diesem Sinne meint auch Albert Schweitzer: „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“ [4]

Die Autorin ist Religionslehrerin am Lycée de garçons in Luxemburg.

Quelle: Luxemburger Wort

[1Johann Heinrich Pestalozzi, Der natürliche Schulmeister, 3. Zuneigung, in http://www.gutzitiert.de, 19.04.2016.

[2Hans Halter, Ich habe meine Sache hier getan, Berlin 2007.

[3vgl. Hermann Hesse, „Im Nebel“.

[4Albert Schweitzer, in http://zitate.net/, 19.04.2016.

Ruth BACHTLER
 
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