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Jahr C (2015-2016)  
5. März 2016

Um unserer Selbst 
und Gottes Willen

06.03.2016

„Barmherzigkeit, wie Liebe auch, sollte blind sein.“ Dieses Bonmot wird Graham Greene in den Mund gelegt. Barmherzigkeit fußt auf Liebe, Großzügigkeit, Mitgefühl und Wohlwollen. Barmherzigkeit ist offen für Jedermann. Sie lässt sich nicht gerne in die Zwänge von bürgerlichem Maß und Berechnung zwängen.

Auf Griechisch heißt Barmherzigkeit „éléos“. Dieses Wort ist uns vom Gebetsruf „Kyrie eleison“ vertraut. „Éléos“ ist in der griechischen Fassung des Alten Testaments die gebräuchliche Übersetzung des hebräischen Worts „hésèd“. Oft wird es ganz einfach mit „Liebe“ übersetzt. „Hésèd“, Barmherzigkeit oder Liebe, gehört zum Wortfeld des „Bundes Gottes“ mit uns Menschen. Auf Seiten Gottes bezeichnete es eine unerschütterliche Liebe, die eine Gemeinschaft für immer trägt, gleich was geschieht. „Éléos“ gibt noch ein anderes hebräisches Wort wieder: „rahamîm“. Wörtlich bedeutet es Schoß, in der Mehrzahlform von „réhèm“ Mutterschoß. Barmherzigkeit oder Erbarmen ist die gefühlte Liebe, die Zärtlichkeit einer Mutter zu ihrem Kind (Jesaja 49,15), die Zuneigung eines Vaters für seinen Sohn (Psalm 103,13, vergleiche „Barmherzigkeit“ auf www.taize.fr). Es geht um etwas Grundsätzliches und Archaisches: Wer nicht genug davon abbekommen hat, dem kann es an Zutrauen ins Leben und dem Glauben an die Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ermangeln.

Im Eröffnungsvers des 4. Fastensonntages dieses Wochenendes aus den Versen 10. und 11. im 66. Kapitel des Propheten Jesaja heißt es, in der etwas lebensfernen und kraftlosen Übersetzung im Schott-Register zur göttlichen Barmherzigkeit: „Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.“ Die Übersetzung in der Ökumenischen Einheitsübersetzung ist praller und lebenstoller: „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!“ Das Maß der Liebe und Geduld Gottes mit uns Menschen ist unendlich und will bezeugt und weitergeschenkt werden. Gratuität heißt das geschwollen ausgedrückt. Kommen die Gezeichneten unserer Tage in unseren Gemeinden vor? Oder sind unsere Gemeinschaften „gated communities“, abgeschlossene Mittel- oder Oberschichtghettos, die die unbedingte Liebe Gottes zum Selbstzweck horten? Haben die Betrüger, Dirnen, Halbweltgestalten, Abstoßenden, Stinkenden und Zu-Kurz-Gekommenen unserer Tage eine Chance bei uns? Eine Chance auf Beistand, Zeit, Freundschaft und Anwaltschaft bei mir und/oder in unseren Gemeinden? Warum? Um unserer Selbst und Gottes Willen.

Im Sinne des Satzes, der dem heiligen Ignatius zugeschrieben wird: „Die Freundschaft mit Armen macht zu Freunden des ewigen Königs.“ Der Umkehrschluss ist natürlich ebenso richtig: Wer sich der Nähe zu den Armen, einer Begegnung auf Augenhöhe verschließt, verschließt sich „dem ewigen König“. Der Jesuit Michael Hainz hat diesem Thema ein ganzes Buch in der Reihe „Ignatianische Impulse“ gewidmet. Der Freundschaft mit Armen. In seiner Einführung bringt er dies wunderbar aktualisiert auf den Punkt – sozusagen Barmherzigkeit 4.0, wenn er dort schreibt: „Dieses Buch ist Stellvertretend für alle Armen, denen es dienen will, Hotti gewidmet, einem Berliner Obdachlosen, der mich an meinem Namenstag, am 29. September 2005, „mein Freund“ nannte. Drei Monate später erfror er. R.I.P. (siehe Michael Hainz, „Freundschaft mit Armen“, in Ignatianische Impulse 17, 12)“. Wohl dem, dem die Barmherzigkeit Freunde unter den Armen schenkt. Ihnen auf Augenhöhe begegnen darf. Ihn oder sie wird Jesus „selig“ nennen.

Quelle: Luxemburger Wort

Karsten STEIL-WILKE
karsten.steil@cathol.lu
 
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