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Jahr A (2022-2023)  
9. Februar 2023

Du sollst nicht töten

Kommentar zum 6. Sonntag von Roger Nilles (12.2.2023)

Der etwas andere Kommentar zum 6. Sonntag im Jahreskreis

Ich hätte schreiben wollen über das Gesetz, über ein zugegebenermaßen eher sperriges Thema. Ausgehend von den Seligpreisungen und der Rede vom Salz der Erde hätte ich einleitend Jesu Worte „denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben“ erwähnt und sie als eine Reaktion auf eine damals vorhandene, möglicherweise vorherrschende Meinung unter den Pharisäern, vielleicht auch unter seinen Jüngern gedeutet, Jesus würde die Ge- und Verbote der alten Zeit aufheben. Im Gegenteil! Jesus führt das Gesetz über das Gesetz hinaus, er „erfüllt“ es, wie es bei Matthäus heißt. Ja, ich hätte schreiben wollen, dass die Radikalität des Neuen, im Angriffsmodus formuliert, fest auf dem Boden der Tora und des mosaischen Dekalogs und in der Tradition der Propheten steht. Nichts davon ist hinfällig, aber genauso gilt, nichts davon bleibt unberührt.

Von da aus wäre es nur ein kleiner gedanklicher Sprung gewesen bis zum Hinweis, Jesus verwehre sich gegen die Haltung, es sei völlig ausreichend, der formalen Beachtung der Gebote Genüge zu tun! Als einen guten, fordernden Lehrer, der sehr plastisch hinlänglich bekannte Beispiele anführt (du sollst nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht Meineid schwören…), die er jeweils kontrapunktisch einleitet mit „Ihr habt gehört… ich aber sage euch“, hätte ich ihn „qualifiziert“. Eine rhetorische Meisterleistung! Schnell wäre nur zu klar geworden: Wer allein die Norm erfüllt, hat seine Pflicht nicht getan. Ein Satz, der als Titel dieses kleinen Kommentars vorgesehen war.

Als Beispiel hatte ich mir vorgenommen, wie im Matthäus-Passus, das fünfte Gebot anzuführen: Du sollst nicht töten. Ein einfaches Beispiel, das per se nicht in Frage gestellt wird und an das sich die allermeisten von uns ohne große Mühe ein Leben lang halten. Gottseidank! Ja, ich hätte Sie, mich, uns, gefragt, ob es wirklich reicht, dem Anderen, dem Feind, nicht nach dem Leben zu trachten. Ein „Keineswegs!“ lag mir auf den Lippen. Wer auch nur seinem Bruder oder seiner Schwester zürnt oder ihn/sie Dummkopf schimpft, macht sich vor Gott und seinen Nächsten schuldig und braucht Vergebung und Versöhnung. Jesus setzt bei unserer Grundhaltung an, im Herzen, er lässt es nicht bei der Minimalforderung des Tötungsverbots bewenden. Jesus will das Übel an der Wurzel packen, nicht erst an der Oberfläche oder später an den Blüten, die es treibt.

Ja, all dies und noch mehr hätte ich schreiben wollen… Dann aber musste ich an den Krieg denken, der sich bald zum ersten und hoffentlich einzigen Mal jährt und der ein Stück weit leider in der Normalität des Alltags angekommen zu sein scheint, ich musste denken an die Soldaten auf beiden Seiten, die Opfer, die Waffendiskussionen, die Flüchtlinge, das unsägliche Leid… Und ich erinnerte mich daran, wie ich die Meldung über Panzerlieferungen mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen hatte…

Du sollst nicht töten! Mir wird bewusst, wie schwer wir uns letztlich doch mit dem „Erfüllen“ dieses Gebotes tun, und wie schwer wird es dann erst, Jesus zu folgen, wenn er uns zu Frieden und Versöhnung auffordert... Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden… Ich muss schweigen.

Roger Nilles

Bistumskanzler

Roger NILLES
roger.nilles@cathol.lu
 
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