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Der König am Kreuz
20.11.2016
Lk 23,35-43
Das Christkönigsfest wurde von Papst Pius XI. am 11. Dezember 1925 eingesetzt. Die Kirche war auf einem Tiefpunkt ihrer politischen Macht, die Monarchien in Europa waren zertrümmert und viele Menschen desorientiert; gleichzeitig wuchs die Ablehnung von Religion und Kirche. Dem gegenüber stellte Pius XI. den Herrschaftsanspruch Christi als ein Hoffnungszeichen; die damit verbundene Rhetorik mag uns heute triumphalistisch vorkommen. Später, im Nationalsozialismus, wurde die Verehrung von Christus dem König für viele Katholiken zu einem Widerstandssymbol.
Die liturgischen Texte am diesjährigen Christkönigsfest führen uns im Kontrast zwei besondere Könige vor Augen. So lesen wir im 2. Buch Samuel, wie der König David auf dem Höhepunkt seiner Macht zum guten Fürsten, ja „Hirten“ des Volkes Israel gesalbt wird. Im Alten Orient war der König nicht einfach Machthaber und Gebieter, sondern eine Heilsgestalt. David, der Israel um das Jahr 1000 v. Chr. zu einem großen Staat aufgebaut hat, wird in der Überlieferung zum Modell des sehnsüchtig erwarteten Heilskönigs.
Der Königstitel, auf Jesus bezogen, begegnet uns vor allem am Anfang und am Ende seiner Lebensgeschichte. Am Anfang führt der Stern jene, die den neu geborenen, messianischen König der Juden suchen, in einen Stall. Im Laufe seines Lebens wird Jesus als König gefeiert, weist den Titel mehrmals von sich oder deutet ihn um. Am Ende steht der Königstitel als Spottschrift über dem Kreuz. Vom Stall zum Kreuz: eine ungewöhnliche Karriere für einen König.
Tatsächlich zeigt der Abschnitt aus der Passionsgeschichte nach Lukas uns einen machtlosen, gescheiterten König am Kreuz, von der Welt verlassen und von seinen Henkern verspottet. Jesus teilt die Leidensgemeinschaft mit zwei anderen zum Tode Verurteilten. In ihrem kurzen, intensiven Wortwechsel erkennen wir wesentliche Fragen, die auch uns bewegen vor Gott – oder in seiner gefühlten Abwesenheit.
Der eine Verbrecher fordert Jesus heraus in verzweifeltem Spott: „Wenn du wirklich der Messias bist, dann hilf doch dir und uns!“ Aber der Gott Jesu ist kein Deus ex machina, er rottet das Böse nicht einfach aus. Jesus am Kreuz ist kein Übermensch, kein Held; er stellt alle menschlichen Vorstellungen von Königsmacht auf den Kopf.
Der andere sagt: „Herr, denk an mich ...!“ Er sehnt sich nach dem Reich Gottes und erkennt mit den Augen des Glaubens den König der Liebe. Jesus ist seine letzte Chance. Das „heute“ in der Antwort Jesu spricht uns an: Was würde ich, was würden wir, Christus am Kreuz fragen ? Was würde seine Antwort (in uns, um uns) verändern ?
In seinem Buch „Der Gottesplanet“ bringt der Theologe Kurt Marti die Frage um Gottes Macht und Ohnmacht auf den Punkt: „Die Macht Gottes ist nichts anderes als seine Gerechtigkeit, seine Liebe. Macht an und für sich will Gott nicht, dementsprechend hat sich auch Jesus verhalten. Der all-mächtige Gott geht auf Abschaffung jeder Macht aus, die nicht Gerechtigkeit, nicht Liebe ist. Solange dieses Ziel nicht erreicht ist, ist er der all-leidende, mit allen Unterdrückten, Geopferten, Entrechteten leidende Gott, der nicht mit den Wölfen, sondern mit den Lämmern solidarisch ist.“
Bei Lukas lesen wir: “Die Leute standen dabei und schauten zu”. Heute wie vor 70 Jahren braucht es keine Zuschauer, sondern Menschen die Widerstand leisten gegen die Menschenverachtung. In einer Zeit wo politische Strömungen und etablierte Regierungen die Solidarität, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl in Gefahr bringen, wo öffentliche Wahrhaftigkeit, Dialog und Toleranz riskieren, zu zerbrechen, ist es wichtiger denn je, dass viele sich beteiligen am Aufbau der guten Macht Gottes, in Ihm verwurzelt.
Quelle: Luxemburger Wort