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Jahr A (2022-2023)  
26. Mai 2023

Keine Kirche ohne Gebet um den Geist

Kommentar zu Pfingsten von Renée Schmit (28.5.2023)

Es ist bereits einige Zeit her, da fuhr ich am späten Nachmittag mit meinem Fahrrad in die Oberstadt. Auf dem Fahrradweg stieß ich plötzlich auf eine Gruppe junger Menschen, die sich auf der „Passerelle“ der Adolph-Brücke eingefunden hatte. Die einen standen, andere saßen am Boden. Am Ende des Fahrradweges angelangt, beschloss ich dann die Richtung zu ändern und fuhr zurück zur Gruppe. Die Jugendlichen waren näher zusammengerückt. Eine weiße Rose steckte am Gitter der Abtrennung. Ich drehte mich zur Gruppe und fragte etwas unbeholfen was denn passiert sei. Einer der jungen Leute antwortete: „Ein Kollege ist neulich an dieser Stelle runtergesprungen. Selbstmord!“ Betroffen blieb ich hinter den verstörten Gesichtern stehen und tauchte gemeinsam mit ihnen in eine sonderbare Stille ein, die mir anschließend, wie eine ganze Ewigkeit vorkam. Was mochte wohl in diesen Köpfen vor sich gehen? Schweigend verharrten wir auf der Brücke, während die Passanten eilig vorbei gingen. Als ich dann nach einiger Zeit wieder aufs Fahrrad stieg, drehte sich einer aus der Gruppe um und sagte: „Danke, dass sie bei uns geblieben sind.“

Es gibt Momente, in denen das wahre Leben ganz unerwartet auf uns zukommt, Momente, denen wir nicht ausweichen können und so in die Schule des Lebens versetzt werden. Manchmal ist dann ein zusätzlicher „Kraft-Booster“ gefordert, um auszuhalten und nicht weg zu laufen.

Ähnlich muss es wohl auch damals den Jüngern in Jerusalem gegangen sein. Sie hatten sich ihr Leben mit Jesus bestimmt anders vorgestellt. Sollte nach dem Tod ihres Meisters jetzt alles vorbei sein? Fragen, Zweifel und Existenzängste haben sie sicher gequält. Aber sie suchten neue Kraft im Gebet und warteten auf den heiligen Geist, auf die Kraft von oben, die Jesus selbst versprochen hatte, bevor er ihnen den Auftrag gab: „Geht hinaus in die ganze Welt und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.“ Nicht von ungefähr suchten sie Zuflucht und Gemeinschaft im Obergemach, wo Jesus ihnen die Füße gewaschen und mit ihnen das Brot gebrochen hatte. In der Erinnerung an sein Leben und die vielen Zeichen der Hoffnung und des Trostes, die er in der Begegnung mit den Menschen gegeben hatte, harrten sie jetzt aus. Petrus und die anderen hielten am Versprechen Jesu fest und damit auch an der Sendung des Geistes.

Dieser Geist, den Paulus immer wieder als „Parákletos“ bezeichnete, ist Tröster, Anwalt und Beistand, der die Jünger aus der Verzweiflung auf den Weg der Hoffnung führte.

Das Warten auf den Beistand war ein betendes Warten. Gemeinsam mit Maria und anderen Frauen wuchsen die Jünger so zu einer Solidargemeinschaft zusammen. Wir stehen am Beginn der ersten Kirche. Dies zeigt uns, dass es keine Kirche ohne Gebet gibt! Das Gebet ist der Ort der Stärkung und des Trostes. Im Gebet empfangen die Jünger Jesu immer wieder den notwendigen Trost und jene Liebe, die sie konkret an andere weiterreichen können. Nur das Gebet und nicht die raffinierteste Psychotechnik kann jenen seelischen Grund in uns freilegen, in dem wir einander berühren, in dem wir miteinander verträglich sind, in dem Frieden und Einheit sind. Eintracht ist die Voraussetzung für die Gabe des Geistes und Gebet die Voraussetzung der Eintracht [1].

Das Pfingstevangelium sagt uns, dass genau der Friede die erste Gabe des Geistes ist. Es ist der Geist, der die Jünger für immer mit dem auferstandenen Herrn und untereinander verbindet. Es ist der Geist, der eine erneuerte Welt durch die Vergebung der Sünden schafft.

Jesus unser Lebensweg ist lang und schwierig. Wir können diesen Weg nicht allein machen. Wir müssen zusammen unterwegs sein. Du hast uns einen Helfer verheißen. Deinen Geist. Hilf uns, diesen Geist wahrzunehmen in denen, die mit uns unterwegs sind. Lass uns erkennen, dass du mitten unter uns bist, wenn wir miteinander unterwegs sind… Lass uns nicht nur die Fremden willkommen heißen, sondern auch ihre Gaben, die sie mitbringen: Einladung zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität. Das ist die Hilfe, die Du uns gesandt hast. Wir sind nicht allein auf dem Weg. Dafür danken wir dir. (Aus Gebet des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes „Jesuit Refugee Service“) [2]


[1Josef Kardinal Ratzinger, Der Heilige Geist in Sturm und Feuer, Pfingstimpulse, 1978.

[2Gundikar Hock, Ergriffen vom Feuer. Gebete aus dem Geist der Exerzitien, Ignatianische Impulse, Echter, 2006.

Renée SCHMIT
renee.schmit@cathol.lu

Directrice du Centre de formation diocésain Jean XXIII
Déléguée épiscopale à l’Évangélisation et la Formation diocésaine

 
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