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Der Regen, ein Schirm und der universale Friedenskeim
Kommentar zu Epiphanie von Karsten Steil-Wilke (7.1.2024)
Extremwetter und die Verfielfältigung von Kriegen und Krisen scheinen immer mehr unser Hoffnungspotenzial aufzuzehren.
Stefan Wahl, pensionierter Trierer Bistumspriester, Autor und Poet, jetzt in Ost-Jerusalem lebend, erzählte auf einer Lesung in diesen Tagen folgende Begebenheit. In Jerusalem fährt ein muslimischer Taxi-Fahrer zur entsprechenden Gebetszeit seinen Wagen an den Straßenrand, breitet seinen Gebetsteppich auf dem Bürgersteig aus und beginnt sein Gebet. Unterdessen fängt es an zu regnen. Etwas später geht ein orthodoxer Jude mit einem aufgespannten Regenschirm vorbei. Einige Meter, nachdem er am Taxi-Fahrer vorbei ist, scheint er quasi eine Eingebung zu haben, dreht sich auf dem Absatz um, geht zurück und bleibt mit seinem Schirm, den er schützend über sich und den betenden Muslim ausbreitet, stehen, bis dieser sein Gebet beendet hat. Danach umarmen sich beide und gehen dann auseinander. Wahl ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Szene sich wirklich ereignet hat und nicht nur ein wünschenswertes Märchen ist. Vor dem Hintergrund der aktuellen Weltsituation wirkt dieses Alltagsmoment aber genauso.
Es ist schon erstaunlich, dass alleine die Frage im Evangelium der Weisen bei Herodes Angst, Schrecken und Unwohlsein auslösen ( Mt 2,2-3).
Angst, Schrecken, Unwohlsein.
Warum - vor was? - Vor dem Verlust der eigenen mit Rücksichtslosigkeit und Brutalität errungenen Herrschaft. Sie, die die Geburt Jesu mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen für sich belegbar erkannt haben wollen, folgen dem Stern. Sie kommen nach Jerusalem und fragen sich ein wenig naiv nach dem genauen Ort durch. Sie glauben ihrem Wissen und vertrauen dennoch auch, dass sie mit Hilfe des leuchtenden Sternes ankommen werden.
Die Spannungskurve in der biblischen Matthäus-Erzählung steigt dann exponentiell an: Die Drei kommen unbedarft ins Epizentrum der Macht in Jerusalem, bis zu Herodes selbst und den Hohepriestern und Schriftgelehrten. Schnell ist klar: Der Messias wird in Bethlehem in Judäa das Licht der Welt erblicken (Mt 2, 4-5). Herodes scheint sich in seiner Intrigen-Erprobtheit sicher zu sein, die Magier leicht um den Finger wickeln zu können, um den angekündigten Erlöser abzuschlachten (Mt 2,8).
Herodes hat seine Rechnung aber ohne die göttliche Vorsehung gemacht. Die drei Könige mögen naiv sein, aber sie haben Herodes etwas voraus: Sie sind gut mit sich und ihrer Intuition verbunden. Diese rät ihnen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurückzukehren (Mt 2,12)
„Ja, die Geschichtchen sind ja schön und nett anzuhören, aber die sichtbare Realität ist doch bitteschön eine andere!“, wird die realitätsgetränkte Stimme dagegenhalten. Und trotz alledem: Die bliblische Weihnachtsbotschaft ruft uns dazu auf, einen realitätstauglichen Optimismus für unsere Zeit zu entwickeln. Und wo anders könnte dieser sich viral ausbreiten als in der Unscheinbarkeit unserer Herzen, im „Bethlehem dieser Tage“. Im intuitiven Vertrauen auf den universalen Sieg und die Allmacht des Friedens. Machen wir dazu unsere Herzen weit auf, damit diese uns verheissene Wirklichkeit in unsere Welt hinein leuchtet – ins Hier und Heute hinein.