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Jahr B (2017-2018)  
17. November 2018

Unser schwieriges Verhältnis zur religiösen Sprache

Der Kommentar zum 33. Sonntag im Jahreskreis von Winfried Heidrich (18.11.2018)

In der sonntäglichen Lesung aus dem Brief an die Hebräer ragen zwei theologische Begriffe je viermal heraus: Sünde und Opfer; einmal zusammengesetzt: Sündopfer. Was sagen uns die beiden Worte heute? Wir nennen die Eucharistiefeier Opfermahl. Wir hören das Wort des „Opfers“ in jeder Messe. Was hatte damals, was hat heute dieses Wort „Opfer“ mit Jesus zu tun, auf den sie vom Schreiber des Hebräerbriefes gemünzt sind?

„Viele Theologen tun nichts anderes als religiöse Aussagen zu einer glatten Kugel abzurunden, die sich leicht hin- und herrollen lässt, die man aber nicht fassen kann“, schreibt der polnische Autor Czeslaw Milosz. Man möchte diese Kugel, falls sie einen noch interessiert, öffnen und auf ihre Betriebsfähigkeit hin prüfen: Funktioniert das Wort „Opfer“ noch? Für viele „theologische Kugeln“ gibt es eine Art kirchliche Absicherung. In Dogmen und Texten hat das Lehramt Zäune gezogen um Begriffe wie Opfer und Sünde. Sie sind geschützt vor nicht autorisiertem Zugang. Schutz schafft Abstand. Die Begriffe drohen kalt und 
museal zu werden. Viele Menschen betreten Gottesdienste wie antike Theateraufführungen, immer weniger verstehen sie Sprache und Ablauf der heiligen Handlung. Kann das der Kirche egal sein?

Opfer für die Götter gibt es seit Anbeginn der Religionen. Im Judentum wurden zur Zeit Jesu Tieropfer zentral im Tempel von Jerusalem vollzogen. Jesu Kreuzestod wird im Hebräerbrief als Gottesopfer für die Sünden der Menschen gedeutet. Die Theologien des Neuen Testamentes waren zeitlich eng dem Gedanken des Opfers im Judentum verbunden: „Der Tod ist der Sünde Sold“, schreibt Paulus in Römer 6,23 infolge dieser Tradition.

Nun macht es einen Unterschied zwischen einem Ereignis – dem Tod Jesu – und der Deutung dieses Ereignisses. In den Erzählungen der Evangelien, in denen wir Jesus nahe kommen wie in keinen anderen biblischen Texten, können wir ihn uns nur schwer als einen Menschen vorstellen, der sein Leben darin versteht, sich für die Sünden der Menschen zu opfern. Jesu gewaltloses Sprechen und Handeln gilt dem Reich Gottes, das in seiner „guten Nachricht“ schon mitten unter den Menschen ist. Er erzählt es in Gleichnissen und betet es im Vaterunser. Von Gott spricht Jesus zärtlich als „Abba/Vater“. Dieser Gott verlangt oder gibt ihn als Opfer?

Jesus begegnet den Menschen in ihrer Sündhaftigkeit und Schuldverstrickung nie so, als könne ihnen nur vergeben werden, wenn Gott ein Opfer der Erlösung dargebracht werde. In den Gleichnissen vom verlorenen Sohn oder vom verirrten Schaf zeigt Jesus die Bedingung auf für das Kommen des „Reich Gottes“: „Kümmert Euch um das Konkrete und Kleine. Den Rest gibt Euch der 
,Vater‘.“ Er geht seinen Weg so konsequent, dass er sein Leben mit dem Tod am Kreuz bezahlt. Das ist der Sold.

Sich aus Liebe einer Sache oder Menschen hingeben, ist etwas anderes als sich als Opfer zu sehen. So verstehen wir auch sein letztes Beisammensein mit seinen Freunden als inniges Abschiednehmen vor dem Unabänderlichen, was kommen musste. „Tut dies zu meinen Gedächtnis“, feiern wir Christinnen und Christen in Erinnerung an Jesus und als Ermutigung in seine Nachfolge.

Wo jemand sich opfert oder (von Gott) Opfer verlangt werden, ist Gewalt im Spiel. Religiöse Befreiung und religiöse Gewalt liegen erschreckend nahe beieinander. Der Text aus dem Hebräerbrief gibt uns die Gelegenheit, unsere religiöse Sprache zu überprüfen: Theologische Kugeln aufzuschrauben und zu untersuchen. Nicht die biblischen Texte gilt es zu ändern, sondern unser Verhältnis zu ihnen.

Quelle: Luxemburger Wort

Winfried HEIDRICH
 
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