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Justice et Paix Luxembourg  
15. Juni 2022

Erklärung von Justice et Paix Luxembourg zum russischen Krieg gegen die Ukraine

Communiqué vom 15.6.2022

Erklärung Justice et Paix vom 15. Juni 2022 (PDF)

I. Die Waffen zum Schweigen bringen

Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die russische Regierung und Präsident Putin nicht nur Krieg und Kriegsverbrechen, Gewalt und Elend über die Menschen in der Ukraine gebracht, sondern auch die friedens- und sicherheitspolitische Lage in Europa und in der Welt verändert. Eine der großen Nuklearmächte hat Grundregeln der UN-Charta verletzt, und dies bedroht die rechtsbasierte internationale Zusammenarbeit.

Die Kommission Justice et Paix Luxembourg schaut mit großer Sorge auf diese Entwicklung. Die Botschaft des Evangeliums verpflichtet uns, nach Wegen und Auswegen zu suchen, wie der Krieg beendet und Frieden gesichert werden kann. Feindschaft hat noch nie zu etwas Gutem geführt. Im Geist Jesu wollen wir auf eine Entfeindung der Staaten und Völker hinwirken. Angesichts dieser Situation fordert die Kommission Justice et Paix Luxembourg alle, die in der Politik und auch im Militär Verantwortung tragen, sich von dieser friedenspolitischen und -ethischen Maxime leiten zu lassen: ‚Frieden durch Orientierung am Frieden.‘ (Augustinus). Dabei muss die Frage im Mittelpunkt stehen, wie der Krieg schnellstmöglich beendet werden kann, damit das Töten und Zerstören aufhört und die Gefahr eines alles vernichtenden Krieges abgewehrt wird.

Damit soll der Ukraine auf keinen Fall das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen werden. Ein Recht auf Selbstverteidigung besteht völkerrechtlich und friedensethisch, wenn die UN nicht in der Lage ist, gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wirksam vorzugehen. Das ist zweifellos heute der Fall. Ebenso ist es legitim, einem angegriffenen Staat Nothilfe zu leisten.

Damit stellt sich die entscheidende Frage, welches Ziel angestrebt wird. Für die Kommission Justice et Paix Luxembourg kann dies legitimerweise nur eine schnellstmögliche Einstellung der Kampfhandlungen sein, d. h. ein Waffenstillstand.

Auch darf eine Folgenabwägung nicht nur die Ukraine und Europa in den Blick nehmen. Schon jetzt zeigt dieser Krieg fatale Konsequenzen auf Armut und Hunger weltweit: Weizen (bis zum Krieg kamen 25 % des weltweiten Exports aus der Ukraine und Russland) und Öl fehlen auf dem globalen Markt, die Preise für Weizen klettern. Die Corona Pandemie hatte bereits vorher einen erneuten Anstieg der extremen Armut auf 800 Mio. Menschen verursacht. Es braucht äußerste Anstrengungen in der diplomatischen und humanitären Kooperation, um Lebensmittel dorthin zu bringen, wo Hunger herrscht.

  • Waffenlieferungen sind nach unserer Überzeugung in dem Umfang und in der Art legitim, wie sie die ukrainische Armee in die Lage versetzen, der russischen Armee jegliche Siegoption zu verwehren, so dass auch von russischer Seite ein Waffenstillstand alternativlos wird. Angesichts der ungeheuren negativen Folgen einer fortgesetzten Kriegsführung fordert die Kommission Justice et Paix Luxembourg die EU- und Nato-Staaten auf, die Unterstützung der Ukraine auf das Ziel der möglichst schnellen Kriegsbeendigung zu fokussieren.
  • Weitgehende wirtschaftliche Sanktionen sollten den Druck auf Russland aufrechterhalten. Dabei sollte der Focus der Sanktionen auf der „dünnen sozialen Schicht von Multimillionären“ (Thomas Piketty) liegen, auf die sich das russische Regime stützt. In diesem Kontext muss auch auf die besondere Verantwortung des hiesigen Finanzplatzes verwiesen werden wo nach rezenten Informationen Vermögenswerte über 4,2 Milliarden Euro von sanktionierten Personen und Gesellschaften bislang in Luxemburg aufgespürt und blockiert wurden. Jetzt wurden laut Presseberichten zudem beim luxemburgischen „Freeport“ Vermögenswerte im Wert von über 200 Mio. EUR zusätzlich eingefroren. Eine entsprechende Debatte im Parlament zu Menschenrechte und Business hat bislang wenig Konkretes in dieser Hinsicht für eine kohärente Vorgehensweisen gebracht, wie Luxemburg zukünftig mit solchen Herausforderungen umgehen soll.
  • Der Primat ziviler Konfliktbearbeitung muss gerade in Kriegszeiten beachtet und weiterentwickelt werden. Unterstützung sollte nicht nur militärisch mit Waffenlieferungen, sondern auch mit zivilen Instrumenten erfolgen. So ist humanitäre Hilfe für Binnenflüchtlinge und Kriegsopfer ebenso notwendig wie Hilfen beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur. Dringend notwendig bleibt auch, sich bietende Gelegenheiten für diplomatische Initiativen zu nutzen.
  • Was kann gegen die zunehmende Verfeindung von Russen und Ukrainern und die Dämonisierung des Gegners getan werden- auch von Seiten Dritter? Zum Teil befeuert dies den Konflikt und irgendwann muss es auch wieder um Versöhnung gehen, wenn ein friedliches Zusammenleben nach dem Krieg gelingen soll. Laut UNHCR sind seit Kriegsbeginn mehr als 6,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ausgereist, davon die meisten in Nachbarländer. Justice et Paix Luxembourg ist dankbar für die große Aufnahme- und Hilfsbereitschaft auch in den Gemeinden Luxemburgs, und will gerne mithelfen, dass sie anhält und langen Atem behält. Auch wer in Russland oder in der Ukraine den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigert und Asyl beantragt, dem sollte dies als Asylgrund anerkannt werden. Wir erinnern aber auch an die schwierigen Verhandlungen um den neuen Asyl- und Migrationspakt der EU, an die Abwehr von Asylsuchenden etwa aus Syrien oder Afghanistan; hier dürfen keine doppelten Standards entstehen.
  • Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch einen nuklearen Konflikt wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Dies verdeutlicht einerseits die Bedeutung einer funktionierenden und alle Nuklearwaffen Staaten umfassenden Abrüstung und Rüstungskontrolle, andererseits aber auch die Fragilität einer europäischen und globalen Sicherheitsarchitektur, die auf nuklearer Abschreckung basiert. Denn sie birgt immer die Gefahr einer außer Kontrolle geratenen Eskalation. Vom 21. bis 23. Juni 2022 findet in Wien die erste Vertragsstaatenkonferenz des 2021 in Kraft getretenen UN- Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) statt. Justice et Paix Luxembourg fordert die luxemburgische Regierung auf, den AVV zu unterzeichnen. Der AVV mit inzwischen 89 Vertragsstaaten muss genutzt werden, um internationalen Abrüstungsbemühungen neuen Schwung zu verleihen, besonders angesichts des eskalierenden Konflikts zwischen der NATO und Russland.
  • Die Aktien der Rüstungsindustrie steigen seit dem Ukraine-Krieg rasant, und die Vertreter der Branche verstärken ihre Bemühungen, im Rahmen der EU – Taxonomie als sozial nachhaltig eingestuft zu werden. Justice et Paix Luxemburg hat sich intensiv mit den Herausforderungen von „Sustainable Finance“ befasst und widerspricht dem entschieden: keine Einstufung von Rüstungsunternehmen als sozial-nachhaltig im Rahmen der sozialen Taxonomie der EU.

II. Zur Situation der orthodoxen Kirchen: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“

Justice et Paix Luxembourg unterstützt die Intervention von Kardinal Hollerich, der als COMECE Vorsitzender bereits Anfang März den Moskauer Patriarchen Kyrill I. eindringlich gebeten hatte, sich bei Russlands Führung für ein Ende der Feindseligkeiten gegen das ukrainische Volk einzusetzen, für sichere humanitäre Korridore.

Es bleibt eine zentrale Aufgabe aller christlicher Kirchen, für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten und für die Achtung der unveräußerlichen Menschenwürde aller, der Nächsten und Fernsten, auch der des Gegners und des Feindes. Der Patriarch der Russisch- Orthodoxen Kirche Kyrill I. hat den russischen Angriffskrieg religiös legitimiert. Er hat diesen anachronistischen Rückfall in imperialistische Machtprojektion und die Kriegsführung um nationales Territorium als „metaphysischen Kampf des Guten gegen das Böse“ stilisiert.

Das ist folgenschwer für die weltweite Ökumene und belastet insbesondere das Miteinander der orthodoxen Kirchen. So hat der ukrainische Zweig der russisch-orthodoxen Kirche am Freitag, den 27. Mai nach einem Landeskonzil in Kiew seine völlige Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat beschlossen. Im Gegensatz zu Kyrill I. verurteilte das ukrainische Landeskonzil Russlands Angriffskrieg als Verstoß gegen das Gebot „Du sollst nicht töten!“ und fordert die Regierungen der Ukraine und Russlands auf, den Verhandlungsprozess fortzusetzen und das „Blutvergießen“ zu beenden.

 
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