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Jahr A (2016-2017)  
4. November 2017

Von der Not des Scheins und dem Segen des Seins

05.11.2017

Mt 23, 1-12

Ein Mann kommt zum Papst und hat eine Bitte dabei: „Lieber Papst, Du bist doch dafür zuständig, Menschen heilig zu sprechen?“ Der Papst antwortet: „Na ja, es ist nun mal so, dass eigentlich nur Tote heilig gesprochen werden können. Und da können wir auch keine Ausnahmen machen!“ Der Mann ist enttäuscht und grübelt ein wenig. Auf einmal hellt sich sein Gesicht auf, er hat einen Einfall. „Heiliger Vater, was wäre, wenn ich einen Arzt finde, der mich für tot erklärt? Dann bin ich tot – scheintot eben!“ Der Papst überlegt einen Moment und sagt: „Das wäre durchaus möglich.“ Der Mann freut sich schon. Allerdings schränkt der Papst ein: „Wenn Sie nur scheintot sind, dann kann ich Sie natürlich auch nur scheinheilig sprechen!“

Es ist einer der schlimmsten Vorwürfe, die man Christen machen kann, sie als scheinheilig zu bezeichnen: „Sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen.“ (Mt 23,3) Scheinheilig bedeutet, dass das was man redet, nicht mit dem zusammenpasst, was man lebt. Dabei wird Gott instrumentalisiert und missbraucht. Der Name „Gott“ wird zwar oft mündlich ausgesprochen. Scheinheiligkeit bei uns Christen ist natürlich Wasser auf die Mühlen unserer Gegner.

Besonders fromme Menschen sind anfällig für Hartherzigkeit und Heuchelei. In seinem Buch „Mein Weg in die Weite – zum Grund des eigenen Lebens finden“ schreibt Pater Anselm Grün im Kapitel „Mich erschreckt die Brutalität der Frommen“, dass „es eine ganze Reihe schlechter Verkünder von Gottes Wort gibt, die Angst aufkommen lassen oder Gott nur missbrauchen“ (S.106). Es ist eine traurige Tatsache, dass es auch Menschen in der Kirche gibt, die das Evangelium missbrauchen, in dem sie ihre eigene Macht zelebrieren, ihr eigenes Ego in den Mittelpunkt stellen, damit sie ihren eigenen Vorteil haben. Wie viele eigene Machtgelüste kommen bei dem einen oder anderen oder auch kollektiv ganz groß raus, wo ein Außenstehender, der das merkt, mit Recht sich die Frage stellt, was, das mit Gott zu tun habe…

Wenn wir Macht und Einfluss haben, dann lautet eine wichtige Leitfrage: Welchen Nutzen bietet Macht den uns anvertrauten Mitmenschen? Setze ich die Möglichkeiten ein, um Menschen zu dienen oder nehme ich an erster Stelle meine persönlichen Interessen wahr, um mich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?

Es ist so leicht als religiöser Mensch in Heuchelei zu verfallen. Und es ist ebenso billig und leicht, sich über Heuchelei aufzuregen. Das kann jeder. Heute wird mit der dicken Keule auf die Heuchelei draufgehauen – und die gibt es allerorten. Man kann die Heuchelei bei jedem beobachten. In jedem religiösen Menschen steckt auch ein Heuchler. Priester müssten ihre ihre liturgischen Gewänder, Ordensschwestern ihren Schleier, Bischöfe ihren Stab und ihre Mitra ablegen und jeder andere müsste das Taufkleid zurückgeben, wenn man nur nach diesem Kriterium urteilen würde. Jeder macht die Erfahrung, wie Paulus es treffend auf den Punkt brachte: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“. (Rm 7,19) Sollen wir deshalb auf unser Christsein verzichten, weil auch in uns die Heuchelei steckt? Sollen engagierte Laien, Priester und Ordensleute in der Öffentlichkeit auf ihr Engagement verzichten, weil das viele nicht verstehen.

Auch als Christen, die wir das „Licht der Welt und Salz der Erde“ sind, sind wir immer wieder anfällig für Heuchelei. Auf den Punkt gebracht: Erfahre ich dieses Bewusstsein tief in meinem Herzen oder verdränge ich es einfach? In vielen Gemeinschaften und Familien entsteht großes Unglück, weil die Fassade stimmen muss …

Théo KLEIN s.c.j.
 
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