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12. Mai 2019

Dumme Schafe?

Der Kommentar zum Sonntag von Martine Regenwetter (12.5.2019)

Heutzutage haben Schafe nicht den besten Namen. Vielleicht findet man sie noch niedlich, aber vorherrschend ist wohl der Ausdruck „du dummes Schaf“. Man denkt an Schafe, die blökend der Herde folgen, sprich Menschen die nicht imstande sind, selbst nachzudenken und sich eine Meinung zu bilden.

In der Bibel wird ganz anders von Schafen und Hirten gesprochen. Viele Menschen der damaligen Zeit lebten von der Viehzucht, ihre Herden waren ihre Lebensgrundlage, sie waren von unermesslichem Wert, bei ihrem Verlust gingen ganze Familien zugrunde.

Der heutige Auszug stammt aus dem zehnten Kapitel des Johannesevangliums, in dem Jesus immer wieder das Bild des Hirten und seiner Herde aufgegreift. Mehrmals weist Jesus darauf hin, dass er der gute Hirte ist, dass er seine Schafe kennt und dass der gute Hirte für seine Schafe sein Leben hingibt. Deutlicher kann er nicht ausdrücken, welchen unermesslichen Wert jedes einzelne seiner Schafe für ihn hat. Doch diese Beziehung ist nicht einseitig. Auch die Schafe kennen ihren Hirten. Sie kennen ihn fast so tiefgründig wie er sie kennt. Sie erkennen seine Stimme im Wirrwarr derer, die sich als Hirten ausgeben. Sie erkennen seine Stimme auch wenn der Sturm tobt, wenn sie im Nebel nur seine Silhouette erahnen, sie erkennen ihn auch im Dunkel der tiefsten Nacht. Ihr Leben hängt davon ab, ihn zweifelsfrei zu identifizieren.

Jeder von uns kann sich in diesem Schafsdasein wiedererkennen, denn jeder durchlebt die Stürme seines Lebens, geht verloren im Nebel der Emotionen, kämpft mit mancher Nacht des Glaubens. Wenn wir die Stimme von Jesus und seinem Vater – denn sie sind eins (Joh 10,30) – dann noch erkennen wollen, ist es ratsam, schon bei Sonne und klarer Sicht, sprich in guten Zeiten, im Gebet „geübt“ zu haben.

Auch wenn Jesus Simon Petrus im Evangelium vom letzten Sonntag aufgetragen hat „weide meine Schafe“ (Joh 21, 1-19), so macht er in Johannes 10,11-12 klar, dass er der einzige wirkliche Hirte der Schafe ist. Alle andern Hirten handeln in seinem Dienst und können sogar zu Söldnern werden, denen die Schafe egal sind. Denn Jesus ist der Einzige, dem die Schafe wirklich gehören. Niemand kann sie seiner Hand entreissen, er gibt ihnen ewiges Leben.

Wirklich dumme Schafe sind wir also, wenn wir irdische Hirten ansehen als seien sie Der Wahre und Einzige Hirt. Diese Einstellung nennt sich Klerikalismus – sie bewegt Christen dazu, zu denken, geweihte Menschen begingen keine Fehler, denn sie seien die wahren Hirten. Diese verdrehte Geisteshaltung kann so weit gehen, Kriminelle zu schützen und Opfer sowie die, die sich um Aufklärung von schrecklichen Taten bemühen, als Nestbeschmutzer zu beschimpfen. Ob die Qualifizierung „dumme Schafe“ da ausreichend ist, mag dahin gestellt sein.

Doch Jesus ist nicht nur der einzig wahre Hirte, er ist auch das Lamm, das sich für die Vergebung aller Sünden und Gräueltaten der Menschen ans Kreuz hat schlagen lassen. Wer diese enorme Liebe nicht auf Anhieb in aller Konsequenz verstehen kann, ist kein dummes Schaf, sondern eben nur ein Mensch.

 
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