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Bicher-Rezensiounen . Recensions de livres  
30. September 2023

Melanie Wolfers: Nimm der Ohnmacht ihre Macht. Entdecke die Kraft, die in dir wohnt

Religiöses Buch des Monats Oktober 2023

Ob ein Mensch durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen wird oder die U-Bahn Verspätung hat und man deshalb einen Termin verpasst: In beiden Fällen sind Menschen diesen Ereignissen ausgeliefert. Melanie Wolfers widmet ihr neues Buch diesen Ohnmachtserfahrungen und beschreibt, wie sich dieses Gefühl verwandeln lässt und Menschen „zu mehr Weisheit und einem couragierten Leben“ führen kann. Außerdem behauptet sie, dass dieses Gefühl auch seine lebensförderliche Seite habe.

Im ersten Teil ihres Buches geht sie dem Gefühl auf den Grund: Wenn das Leben einem übel mitspielt, reagieren die meisten Menschen mit Flucht oder Verdrängung. Aber dadurch „gewinnen wir keinen inneren Spielraum gegenüber unseren Gefühlen, sondern binden uns immer mehr an sie. Und wir manövrieren uns … immer tiefer in die Krise hinein“.

Die Situation bessere sich erst, schreibt Wolfers, „wenn ich aufhöre gegen sie anzukämpfen und mich in das Unvermeidliche füge“. In der christlichen Spiritualität wird diese Haltung als „Ergebung“ bezeichnet – und ist einigermaßen in Verruf geraten. Wolfers zeigt, dass Ergebung immer noch eine hilfreiche Haltung ist, vor allem, wenn die (typisch katholische) Verbindung zur „Aufopferung“ gelöst wird. Ergebung sei keine Selbstaufgabe, sondern Selbstbehauptung, der erste Schritt aus der Opferrolle. Die Haltung eröffne, so Wolfers, die Möglichkeit zu fragen, wie ich mit der Situation umgehen kann. Damit ist der Weg frei, Fragen zu stellen wie: „Was kann ich aus dieser Geschichte lernen? Wozu fordert mich diese Krise heraus? Worauf kommt es mir jetzt an?“

Doch es gibt auch Situationen, denen sich nichts Gutes abgewinnen lässt. Dann ist die Fähigkeit gefragt, Ohnmacht auszuhalten und Unabänderliches zu erdulden. Dabei sei die biblische Spiritualität eine große Hilfe, ganz besonders natürlich die Psalmen. Deren Beter klagen Gottes rettendes Handeln ein. Hier geht es nicht um Vertröstung auf irgendwann später, sondern um Trost im Hier und Jetzt, betont Wolfers: „Christliche Spiritualität bleibt nicht stehen beim eigenen Ich, sondern öffnet die Augen für die Tränen anderer.“ Ohnmachtserfahrungen lassen sich leichter ertragen, wenn man bereit ist, sich trösten zu lassen – und es Menschen gibt, die diese Not erkennen und bereit sind, Tränen auszuhalten, und die Not nicht mit einem flotten Spruch wegwischen.

Im zweiten Teil ihres Buches beschreibt Wolfers sieben Haltungen, die helfen, mit Ohnmachtsgefühlen leichter umzugehen: Dankbarkeit, Freude, Vertrauen, Zuversicht, tatkräftiges Hoffen, Innehalten. Wie der erste Teil wurzeln auch die Gedanken zu diesen Haltungen tief in der christlichen Spiritualität, ohne jedoch die Bereitschaft zu glauben vorauszusetzen. Damit gelingt Wolfers etwas enorm Wichtiges: Sie macht christliche Spiritualität für eine säkulare Gesellschaft fruchtbar, ohne von ihrer eigenen christlichen Überzeugung abzurücken und ohne den Lesenden ihre Überzeugung überzustülpen. Auf diese Weise wird christliche Lebenskunst anschlussfähig in einer Gesellschaft, der Glaube eher suspekt geworden ist. Auch das ist ein Weg, mit einer Ohnmachtserfahrung umzugehen: dass das Christentum seine Überzeugungskraft eingebüßt hat.

Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der St. Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.

 
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