lb fr pt en de
Bicher-Rezensiounen . Recensions de livres  
28. Februar 2022

Rudolf Bischof, Klaus Gasperi: Den Himmel mit Händen fassen

Religiöses Buch des Monats März 2022

Das Fasten hat in den letzten Jahren eine gewisse Popularität erlangt. Auf etwas verzichten - zumindest zeitweise -, dadurch frei werden, Ballast abwerfen - das ist gut für die Gesundheit und zugleich auch für die Umwelt. Doch woher kommt das Wort „fasten“ eigentlich? Wer im neuen „Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern“, das Rudolf Bischof und Klaus Gasperi unter dem Titel „Den Himmel mit Händen fassen“ herausgegeben haben, die Erklärung des Wortes „fasten“ liest, erlebt durchaus eine Überraschung. Im Althochdeutschen hatte das Wort „fasten“ keineswegs die Bedeutung „verzichten“, ganz im Gegenteil, es heißt vielmehr: „festhalten“. Diese ursprüngliche Wortbedeutung zeigt die Richtung an, in welcher der Sinn des Fastens gesucht werden muss: Es geht nicht um das Verzichten als solches, wir sollen vielmehr durch das Loslassen von Unwichtigem wieder zurückfinden zu dem, was uns Halt und Sinn gibt, woran wir uns festhalten können.

Die nächste Überraschung: Die Herausgeber haben für ihr Lesebuch zur Vorbereitung und Begleitung der österlichen Tage neben biblischen Texten nicht in erster Linie religiös-meditative und fast gar keine theologischen, dafür umso mehr literarische Texte ausgewählt. Es sind viele Gedichte und einige kurze Erzählungen, in denen bekannte wie unbekanntere Autorinnen und Autoren direkte oder auch eher indirekte religiöse Erfahrungen und Erlebnisse literarisch zum Ausdruck bringen. Nicht immer ist da der Bezug zu religiösen Inhalten auf den ersten Blick ersichtlich - doch werden zu Beginn jedes Abschnitts die Grundgedanken kurz erläutert, die zur Zusammenstellung dieser Textauswahl zum jeweiligen Thema geführt haben. Die biblischen Texte werden oft in einem eigenen Text von Rudolf Bischof interpretiert.

In sechs thematischen Kapiteln - die in den sechs Wochen der Fastenzeit gelesen werden können - werden verschiedene Aspekte der Fastenzeit vertieft. Zunächst geht es um das bereits angesprochene Thema, dass es in der Fastenzeit darauf ankommt, sich wieder neu mit dem göttlichen Urgrund zu verbinden, sich neu an dem auszurichten, was wirklich wichtig ist. Dann geht es um den tiefen Brunnen, den man in der eigenen Seele finden kann, wenn man durch achtsames Hören ein weites Herz bekommt. Der dritte Abschnitt widmet sich der Frage, wie man durch Verzicht gewinnen, nämlich zu einer größeren Tiefe, zu dem, was wirklich wichtig ist, gelangen kann. Mitten in der Fastenzeit gibt es eine Evangelienstelle, die schon einen Vorausblick auf Ostern wagt, die Verklärung Jesu auf einem hohen Berg - Anlass für die Frage, wo im Alltag bereits das Eigentliche durchscheint. Ein weiterer Schritt auf dem Weg nach Jerusalem ist die Reinigung des Tempels von den Geldwechslern und Händlern, hier sind wir gefragt, wovon wir den inneren Tempel unserer Seele reinigen müssen. Im sechsten Abschnitt werden die zahlreichen Grenzen und Hindernisse in den Blick genommen, die uns den Blick für das Wesentliche verstellen können.

Der Höhepunkt der Fastenzeit ist schließlich die Karwoche, zu deren Ereignissen es ein eigenes, das ausführlichste Kapitel gibt. Es folgt das Kapitel über das Geheimnis der Auferstehung an Ostern - und schließlich gibt es noch einen Abschnitt zur nachösterlichen Zeit, in dem die Erfahrung zur Sprache kommt, dass die Auferstehungserfahrung auch weiterwirkt, wenn scheinbar längst die Monotonie des Alltags zurückgekehrt ist.

Es sind natürlich weniger ausformulierte Erkenntnisse und Einsichten als vielmehr neue Zugänge, neue Perspektiven, neue Formulierungen, die man aus den versammelten Texten mit Gewinn ziehen kann. Als Beispiel mag das ganz knappe, aber wunderbare Sprachbild der Dichterin Christine Lavant dienen: „Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet, wenn man zu schwach ist, um hinaufzukommen.“ So kann dieses Lesebuch für viele Leserinnen und Leser zum Anlass werden, Fastenzeit und Ostern wieder neu zu erleben und dabei das Wesentliche in den Blick zu bekommen.

Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der St. Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.

 
Ä e r z b i s t u m    L ë t z e b u e r g   .   A r c h e v ê c h é   d e   L u x e m b o u r g    .   
YouTube
SoundCloud
Twitter
Instagram
Facebook
Flickr
Service Kommunikatioun a Press . Service Communication et Presse
Äerzbistum Lëtzebuerg . Archevêché de Luxembourg

© Verschidde Rechter reservéiert . Certains droits réservés
Dateschutz . Protection des données
Ëmweltschutz . Protection de l'environnement
5 avenue Marie-Thérèse
Bâtiment H, 1er Étage
L-2132 Luxembourg
+352 44 74 34 01
com@cathol.lu