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4. April 2024

Von der Kunst „loszulassen“ und der Erfahrung der Auferstehung

Kommentar zum 2. Sonntag der Osterzeit von Christine Busshardt (7.04.2024)

Loslassen ist eine Erfahrung, keine Theorie. Und es erfordert eine Entscheidung, die wir jeden Tag und jeden Moment neu treffen können. Loslassen hat etwas mit Ablösung zu tun, mit Aufbruch und Befreiung von etwas, von dem man weiß, dass man es im Grunde seines Herzens nicht mehr festhalten will und kann. Soweit die Definition.

Die Fähigkeit „loszulassen“, wird den Freunden Jesu nach seinem gewaltvollen Tod am Kreuz in erhöhtem Maß abverlangt.

Thomas, der sich den Beinamen „der Ungläubige“ eingehandelt hat, hatte es richtig schwer, von Jesus Abschied zu nehmen.

Er, der nicht glauben will, was er nicht sehen und sogar, was er nicht fühlen kann, ist nicht eher bereit den Tod und die Auferstehung Jesu anzuerkennen, bevor er sich nicht selbst davon überzeugen konnte.

Ein moderner Mensch, möchte man sagen. Einer von uns. Irgendwie sympathisch, dass einer sich traut, im wahrsten Sinn des Wortes greifbare Beweise einzufordern, wo unterschiedliche Berichte derselben Tatsache vorliegen.

Thomas bekommt, was er verlangt. Jesus lädt ihn ein, die Wundmale zu berühren, so wie er es gefordert hatte. In diesem Moment erkennt Thomas in ihm den auferstandenen Freund. Und der zunächst von Zweifeln Getriebene bekennt: Mein Herr und mein Gott.

Der ungläubige Thomas
Caravaggio, 1601–1602

Ob es tatsächlich zu einer Berührung gekommen ist, wie die Darstellung aus dem 17. Jahrhundert vermittelt, bleibt im Text des Evangeliums offen. Dennoch wurde ein Sprichwort daraus. Wer den Finger in die Wunde legt, macht auf etwas aufmerksam, was eine schmerzliche Erfahrung oder Tatsache in Erinnerung ruft.

Thomas, Vorbild im Loslassen – Lâcher prise

Im Johannesevangelium tritt Thomas als mutiger Nachfolger Jesu auf. Beim letzten Abendmahl stellt er die wesentliche Frage: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Woher sollen wir den Weg kennen. Darauf antwortet Jesus mit dem berühmten Bildwort: Ich bin der Weg, und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Joh 14,1-6)

Thomas verdient daher mehrere Beinamen, nicht nur der „Zweifelnde“ und schon gar nicht der „Ungläubige“. Er ist ein unermüdlich „Suchender“, ein mutig „Fragender“ und letztlich ein offen „Bekennender“.

Thomas entpuppt sich zum Vorbild im Loslassen. Und so wird diese Szene zum Lehrstück der „lâcher prise“, einer Haltung, die hilft, mit Gott und den Menschen in Kontakt zu kommen.
Thomas, der zunächst mit anmaßender Rede, den Beweis für Jesu Auferstehung einfordert, verändert angesichts der Begegnung mit Christus seine Haltung.

Er geht einen inneren Weg, den wir nur erahnen können. Zu Lebzeiten Jesu war er ein treuer Jünger, einer, der die anderen ermutigte und der sich traute, kluge und offene Fragen zu stellen. Ganz nach dem Motto: Wer sucht der findet und wer anklopft, dem wird aufgetan. So zeigt uns sein Verhalten, wie wir zu dieser Haltung des Loslassens kommen können.

Menschen, die diese Haltung verinnerlicht haben und die authentisch damit umgehen, sind aufmerksam, haben ein offenes Ohr, können vorurteilsfrei zuhören, fragen immer wieder interessiert nach, wagen echte Begegnungen und sind bereit sich zu verändern.

Dies erfordert schon ein bisschen Mut und Selbstbewusstsein. Und es setzt voraus, dass man nicht einfach Recht haben und behalten möchte, sondern, dass man bereit ist, die Perspektive zu wechseln und sich und seine Wahrheit mit der Wahrheit der anderen zu konfrontieren. So kann man neue Einsichten gewinnen. Man kann voneinander lernen, weil man die Argumente und Sichtweisen der anderen zu respektieren bereit ist. Loslassen macht uns fähig, sich von dem zu befreien, wovon man im Grunde seines Herzens erkannt hat, dass man es nicht mehr festhalten will und kann.

Diese Haltung wünsche ich uns allen. Und wenn wir nach Mitteln und Wegen suchen, wie wir die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu mit Worten und Taten weitertragen können, braucht es unbedingt lebendige Begegnungen. Nur so kann die Osterbotschaft ihre Attraktivität und ihre heilende Kraft entfalten. Und so gelingt es uns vielleicht wieder ganz neu, mit uns selbst und untereinander und mit Gott in Kontakt zu kommen.

Christine BUßHARDT
christine.busshardt@cathol.lu
 
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