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Jahr A (2016-2017)  
28. Oktober 2017

Wahre Liebe in der Wirklichkeit

29.10.2017

Mt 22, 34-40

Kommunismus, Säkularismus, Laizismus, Materialismus, Egoismus. Die Kette der Ismen zur Erklärung der aktuellen Situation der Kirche in Luxemburg und der Welt in Vergangenheit und Gegenwart scheint bei genauerer Betrachtung kein Ende nehmen zu wollen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei zumeist eine scheinbar beklagenswerte Krise. Als Ergebnis bietet sich öfters ein Rückblick in die glorifizierte Vergangenheit, die Abtrennung von dieser so beklagenswerten Welt und Realität bzw. die Erhöhung der eigenen Position gegenüber den Anderen an.

Eine beachtenswerte Person ist vor diesem Hintergrund Madeleine Delbrêl (1904-1964). Sie gilt als Mystikerin. Verfasserin spiritueller Poesie. Von Haus aus war sie Sozialarbeiterin. Spät bekehrte sie sich, die lange Zeit überzeugte Atheistin war, zum Glauben. Ab 1933 lebte sie im kommunistisch geprägtem Ivry, nahe Paris, in einem Umfeld mit radikalst fehlendem Gottesbezug. Mit einigen Gefährtinnen entschließt sie sich genau dort ein kontemplatives und evangelisches Leben zu führen. Zur Lauheit und Selbstzufriedenheit der von ihr in ihrem Umfeld erfahrenen Mitchristen schreibt sie: „Der lebendige Gott ist kein ungeheures, umwerfendes Glück mehr. … Wir geben uns keine Rechenschaft darüber, was Gottes Abwesenheit für uns wäre, deshalb können wir uns auch nicht vorstellen, was sie für die anderen ist. Die Sinnlosigkeit einer Welt ohne Gott können wir gar nicht wahrnehmen. … Wir verkünden ihn nicht als das Leben allen Lebens, als den unmittelbaren Nächsten alldessen was lebt (weil wir, Anmerkung des Verfassers) nicht selbst die vollständige Botschaft wiedergefunden haben, die wir empfangen haben und weitergeben müssen“ (Madeleine Delbrêl, Gott bezeugen in unserer Zeit – Ausgewählte Texte, Leutesdorf 2004, Seite 64).

Was macht diese „vollständige Botschaft“ aus? Das Evangelium sagt es in unüberbietbar klarer Weise: „Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Gott nahe kommt der, der mit allen Fasern seiner Existenz Gott liebt, wie sich selbst, also in gesundem Maße auch Ja zur eigenen Existenz sagt. Und dann: Den Nächsten. Über die Wichtigkeit dieses Gebotes gibt der nächste Satz Auskunft: „An diesen … Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“ Es ist nicht eine Nebensächlichkeit des Glaubens, sondern das Herzstück: wahre, bedingungslose Liebe. Und sie hat sich zu bewahrheiten im Hier und Jetzt, in der sozialen Ordnung, im besonderen christlichen Umgangsstil mit Ausgegrenztem.

Die erste Lesung ist eine Blaupause für konkretes Leben und Handeln im Alltag, im Umgang mit Witwen und Weisen, Obdachlosen, Frierenden, Fremden und Finanzen. Eine Rückkehr zum behaglich warmen, bourgeoisen Alltag ist nicht mehr möglich. Je mehr diese Liebe in unserem individuellen Leben und in dem unserer Gemeinschaften durchstrahlt, umso weniger brauchen wir uns Sorgen um die Zukunft des Glaubens zu machen. Sie zieht von selbst an.

Noch einmal Madeleine Delbrêl zum Abschluss: „Der erste Schritt unserer Wiederbekehrung zum Glauben besteht darin zu entdecken, dass er selber ganz und gar realistisch ist“ (Ebenda, Seite 63). Liebe und lebe und tanze und handle und bete – im Hier und Jetzt. In der Wirklichkeit.

Quelle: Luxemburger Wort

Karsten STEIL-WILKE
karsten.steil@cathol.lu
 
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