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Jahr B (2020-2021)  
30. Juli 2021

Nicht vom Brot allein lebt der Mensch …

Kommentar zum 18. Sonntag von Mathias Schiltz (1.8.2021)

Es gab im öffentlichen Leben Jesu eine Zeit, da die Menschen ihm in Galiläa in Scharen zuströmten und hinterherliefen. Romano Guardini sprach seinerzeit von einem galiläischen Frühling. Auch im Evangelium des kommenden Sonntags (Joh 6,24-35) läuft die Menge Jesus nach. Die Menschen suchen den, der sich ihren Blicken entzogen hat, weil sie ihn zum König machen wollten (Joh 6,15). Aber Jesus erkennt und entlarvt ihre Gedanken und ihre Begierde. Und als sie ihn schließlich finden, stellt er sie unvermittelt zur Rede: „Ihr sucht mich …, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“.

Das tägliche Brot und ein satter Magen sind gewiss keine verächtlichen Werte, lehrt uns doch das Vaterunser, um das tägliche Brot zu bitten. Was Jesus verurteilt, ist die Einschränkung des ganzen menschlichen Strebens auf diese Güter: Brot, Erwerb, gepaart mit Vergnügen und Spaß. „Panem et circenses“, „Brot und Vergnügen“, so lautete das Motto, nach dem die römischen Kaiser die Völker zu beherrschen und zu unterjochen suchten. Auch noch im 18. Jh. galt unter der Bourbonenherrschaft in Süditalien und Sizilien die Maxime: „Feste, farina e forca“ (Feste, Mehl und Galgen). Und genau besehen funktioniert auch unsere heutige Spaßgesellschaft noch vielfach nach diesen Modellen. Man denke nur an die vergnüglichen, aber millionenschweren, größenwahnsinnigen und umweltschädlichen Ausflüge ins Weltall, die in diesen Tagen stattfinden.

Für Jesus sind solche Lebensinhalte schier unzulänglich. Er denkt größer vom Menschen. Für ihn sind wir zu Größerem bestimmt und berufen. Bereits in der Wüste hatte er den Versucher mit folgendem Zitat aus dem 5. Buch Mose in die Schranken verwiesen: „Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Dt 8,3; Mt 4,4). Heute spricht er von einem anderen Brot, dem „wahren Brot vom Himmel“. Damit öffnet er eine andere Dimension, die über das Alltägliche, das Sichtbare und Greifbare hinausweist. Er spricht vom „Brot des Lebens“; es „gibt der Welt das Leben“. Schließlich ist er selbst das Brot des Lebens, das alle Sehnsucht erfüllt und übertrifft, so dass, wer zu ihm kommt und sich ihm im Glauben anheimgibt und übereignet, nie mehr hungern und dürsten wird (6,35).

Der letzte Grund für diese Zusicherung grenzenloser Lebensfülle und Lebensfreude wird dadurch verdeutlicht, dass das Brot, das Jesus gibt, eine Speise ist, „die für das ewige Leben bleibt“. Sie schenkt Unsterblichkeit und verheißt Vollendung. Und dieses Leben hat bereits im Hier und Jetzt begonnen, wenn auch verschleiert und im Keim. Es äußert sich überall dort, wo der Mensch über die Impulse seiner Triebe, über seine Gier und Selbstsucht hinauswächst auf die anderen zu und schließlich hin zu Gott, dem ganz Anderen, der sein Ein und Alles ist. Hingabe und Bereitschaft zum Teilen sind das Wahrzeichen des ewigen Lebens, wie denn auch das Teilen das eigentliche Zeichen der Brotvermehrung war: Wo Menschen miteinander teilen, auch das wenige das sie haben, da können alle teilhaben an den wahren Gütern des Lebens; da bricht aus der Ewigkeit das Himmelreich hervor. Und das gilt auch von jedem selbstlosen Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, von jedem Dienst am Wahren, Guten und Schönen, sowie nicht zuletzt vom Ringen um die Bewahrung und Genesung der Schöpfung. Aber auch in der bescheidensten Hinwendung des Samariters zum daniederliegenden Mitmenschen leuchtet das Gottesreich auf.

In all diesem Wirken bewahrheitet sich Blaise Pascals realistische, aber hohe Einschätzung des Menschen: „L’homme n’est qu’un roseau, le plus faible de la nature ; mais c’est un roseau pensant“ (Pensées, Fragment, 347), et „l‘homme passe infiniment l’homme“ (ebd. 434). Gott denkt groß vom Menschen, denn „Gottes Ehre ist der lebendige Mensch“ (Irenäus von Lyon).

Mathias SCHILTZ
mathias.schiltz@cathol.lu
 
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