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Euthanasie  
1. Oktober 2008

Nehmt den Menschen die Hoffnung nicht!

Stellungnahme zur Euthanasie-Debatte

Noch ist das letzte Wort in Sachen Euthanasie nicht gesprochen. Noch bleibt Zeit für eine politisch besonnene und juristisch sichere Entscheidung. Noch dürfen sterbenskranke Menschen hoffen, nicht mit dem Angebot sowie letztendlich dem Druck der Euthanasie konfrontiert zu werden.
Die Bedenken der Kirche gegen eine rechtliche Regelung der Euthanasie sind vielfältig und schwerwiegend. Der Kirche geht es dabei nicht um Macht- oder Kulturkampffragen. Es geht ihr vielmehr um das Leben des einzelnen Menschen und das Zusammenleben in der Gesellschaft.

Leben ist Geschenk und Beziehung

Das Leben ist nie ganz in der Hand von uns Menschen. Als Geschenk haben wir es empfangen und als Geschenk verdanken wir es immer wieder anderen Menschen sowie den Fortschritten der Medizin. Dieses kostbare Leben, das in unseren Händen unaufhaltsam zu zerrinnen scheint, ist jedoch mehr als ein Ablauf blinder Naturprozesse. Unser Leben ist immer auch Beziehung und Austausch mit anderen Menschen. Für viele hat auch heute der lebendige Gott seinen festen Platz in ihrer Existenz und gilt ihnen als Garant für das menschliche Leben.

Als offene Geschichte verlangt unser Leben, in seinen verschiedenen Dimensionen immer wieder neu gestaltet zu werden. Zwischen Zwang und Freiheit entfaltet es sich entlang individueller und gemeinsamer Entscheidungen. Läuft das Leben in seinen gewohnten Bahnen dahin, verspüren wir häufig weder die naturgegebenen und geschichtsbedingten Widerstände noch die Herausforderungen und Möglichkeiten neuer Freiheiten.

Lebensgefährdende Krisen – wie sie bewältigen?

Krisen, besonders solche, die das Leben und die Gesundheit gefährden, bringen unübersehbar Unsicherheit über den weiteren Verlauf ins Spiel. Häufig brechen sie unvorbereitet in das Geschehen des Alltags herein. Die Zerbrechlichkeit des Lebens wird manifest und die Zukunft erscheint ungewiss. Nun drückt der Fluss des Lebens, der einen bislang ruhig getragen hat, in gefährliche Gewässer und Tiefen. Rufe nach Orientierung und Hilfe werden laut. An welchen Gewissheiten, an welchen Menschen, an welchem Glauben findet man Halt? Auf der Suche nach neuen Anhaltspunkten bekommen die Signale aus dem Umfeld hohe Bedeutung. Da man sich nicht mehr allein auf sich und sein Leben verlassen kann, schaut man sich nach anderen Modellen der Lebensbewältigung um.

Zunehmend wird sterbenskranken Menschen in der europäischen und luxemburgischen Gesellschaft palliative Pflege und Versorgung angeboten. Dieses Angebot muss noch viel stärker ausgebaut werden. Es verspricht die Linderung der Schmerzen und die gütige Aufnahme im Kreise professioneller Teams zusammen mit der Familie und den Angehörigen. Das Angebot palliativer Pflege und Versorgung nimmt die Bedürfnisse und Ängste sterbenskranker Menschen ernst und wahr. Es macht ihnen Hoffnung, den letzten Weg des Lebens mit mehr Zuversicht und nicht allein zu beschreiten.

Sterbenskranken und mit der neu definierten Reichweite der Gesetzesinitiative nun auch lebensüberdrüssigen Menschen soll jetzt zusätzlich Euthanasie und medizinische Beihilfe zur Selbsttötung angeboten werden. Dieses grundverschiedene Angebot verspricht einen schmerzlosen Ausbruch aus dem Leben. Es geht von der Annahme aus, dass alle Hilfe umsonst ist und der direkte Tod die einzige Lösung darstellt. Der schmerzfrei herbeigeführte Tod im Angebot der Gesellschaft richtet sich an verzweifelte Freiheiten, die dem Leben nichts anderes mehr als den Tod abgewinnen können. Diese Regelung steht nicht nur den vielen staatlichen und gesellschaftlichen Initiativen, die auf Suizidprävention abzielen, diametral entgegen. Vor allem werden die Hoffnung auf Leben und das Leben auf Hoffnung hin erstickt.

Eine Entscheidung mit tief reichenden gesellschaftlichen Konsequenzen

Vor diesen beiden grundverschiedenen Angeboten steht die Luxemburger Gesellschaft, wenn ihre Volksvertreter demnächst erneut darüber abstimmen werden, welches oder welche der Angebote Eingang in das Luxemburger Rechtssystem erhalten sollen. Mit ihrer Gewissensentscheidung machen sie Gesellschaftspolitik im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie werden nicht darüber abstimmen, ob im Einzelfall jemandem Euthanasie, medizinische Beihilfe zum Suizid oder palliative Pflege und Versorgung zuerkannt wird. Sie werden vielmehr darüber abstimmen, ob die Gesellschaft als solche dem Einzelnen Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit signalisiert und anbietet.

Es geht um ein bestimmtes Gesellschaftsmodell und Menschenbild. „Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annimmt und nicht im Mit-Leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft“, betont der Papst in seiner Enzyklika „Spe salvi“ (Nr. 38). Jemandem Hoffnung ohne das Leben und gegen das Leben anzubieten, verstößt nicht nur gegen den gesunden Menschenverstand, sondern auch gegen die Humanität.

Die letzte Grenze

Die Hoffnung und das Vertrauen, welche Menschen in die Politik und ihre Mandatare setzen, verpflichten zur Verantwortung. Dass mit den Abstimmungen über das Ende des Lebens weit reichende Zeichen gesetzt werden sollen, wird in allen Debatten so gesehen. Wer die Hoffnung auf Leben mit Füssen tritt, führt eine entsprechende Gesellschaft herbei. Wer die Tötung auf Wunsch zulässt, überschreitet eine letzte Grenze; er lockert das Tötungsverbot und öffnet Tür und Tor für eine gleitende Aufweichung dieses unabdingbaren Fundaments des menschlichen Zusammenlebens. Wohin dieser Weg führt, zeigen bereits die Ausweitungen, die die zweite Auflage der Gesetzesinitiative gegenüber der ursprünglichen Fassung kennzeichnen.

Noch ist Zeit, dem auf Erweiterung angelegten Euthanasieangebot und seinen weit reichenden gesellschaftlichen Konsequenzen Einhalt zu gebieten.

Luxemburg, den 1. Oktober 2008

Fernand FRANCK
fernand.franck@cathol.lu
Stellungnahme zur aktuellen Euthanasie-Debatte
PDF 70.5 kiB, 11. Juli 2014
 
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