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Jahr C (2015-2016)  
30. Juli 2016

Anschlag

31.07.2016

Lk 12, 13-21

Beruflich bedingt fahre ich meistens mit dem Auto zur Arbeit. Dabei gebe ich fast unbewusst meine Fahrtziele in den Navi ein. Jetzt ändern sich die Ziele: Thüringen statt Walferdingen, Metz statt Hollerich, Meer statt Büros aus Beton und Stahl.

Es sind Ferien. Ein Land mehr oder weniger im „Congé collectif“. Das gewohnte Alltagsleben ruht für ein Vierteljahr. Andere Koordinaten sind uns ebenso zur alltäglichen, quasi naturgesetzlichen Gewohnheit geworden: andauernder Friede, fortschreitender Wohlstand, Sozialstaatsvereinbarungen, ein mehr oder weniger funktionierender Rechtsstaat usw. – wir leben in gesicherten, planbaren Verhältnissen. Diese gewohnten Sicherheiten scheinen dieser Tage in Erschütterung zu geraten. Moolenbeek, Paris, München, Ansbach, Saint-Etienne-du-Rouvray – der erste explizite Anschlag auf ein Gotteshaus in Europa.

Der greise und wehrlose 86-jährige Priester Jacques Hamel wird dabei bestialisch abgeschlachtet. Das Wort Krieg schleicht sich in unseren Sprachgebrauch ein. Der Gegner ist schwer zu entlarven und operiert versteckt aus der Alltäglichkeit heraus. Asymmetrische Kriegsführung nennt das der Expertensprecher der Sondersendungen. Aber nicht nur die äußeren Sicherheiten scheinen zu zerbröseln. Auch die individuellen Gewohnheiten werden von einem auf den anderen Moment zur Unbrauchbarkeit verdammt. Steckt in all der uns umgebenden Dunkelheit nicht jedoch noch die Chance, die Frage nach den gesellschaftlichen und individuellen Fundamenten neu zu stellen?

Genau das ist auch das Thema der biblischen Zeugnisse dieses Sonntages. Jegliche ausschließliche Fixierung auf Äußerlichkeiten, Reichtum, auf sozialen Status, auf kulturelle, soziale oder religiöse Zugehörigkeiten stuft die Lesung aus dem Buch Kohelet und das Evangelium deutlichst möglich ein: Für Kohelet ist es „Windhauch“ – ein Nichts, was zu guter Letzt zurückbleibt und nicht über den Tod hinauszutragen vermag. Solche Menschen sind für den Evangelisten „Narren“, Menschen ohne Gewicht, die kein tragendes Fundament haben. Auf unsere aktuelle Situation übertragen kann gesagt werden, dass ein „Narr“ ist und seine Zukunft ausschließlich auf Vergänglichkeit gebaut hat, wer sich durch Gewalt und Hass zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hinreißen lässt. Wer billigen und offensichtlich falschen Analysen und Parolen vertraut. Wer ausschließlich auf Stärke setzt. Wer Solidarität, bedingungslose Liebe und Mitgefühl für „old school“ (als Wert von gestern) hält. Jede/-r Christ/-in hat durch die Taufe mit dem Taufkleid eine sinnbildlich neue Form von Lebensstil und grundlegendem Fundament angenommen.

Unser Gott ist der Gott, der Zukunft bringt, ein Gott der Vergebung und des Aufrichtens und der x-ten Chance. Rache ist ihm fremd. Unser Gott hat ein Herz und keinen Rechenschieber der Effizienz. Teilen, Zusammenstehen, Kämpfen für Gerechtigkeit, Begegnungen auf Augenhöhe, eine Hoffnung, die stärker ist als der Tod. Aus diesem Stoff kann der neue Film eines Lebens in Szene gesetzt werden. Ihr „seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen“ (Kol 3, 10). Wir sollen so leben, dass wir mit unserem Leben auf genau diesen Gott Israels hinweisen, er durchscheint, erkennbar wird und bleibt.

Dazu ist nicht weniger notwendig als eine Änderung unser Koordinaten: In unseren kleinen Mikrokosmen des Alltages und darüber hinaus! Viel Spaß beim Einüben dieser Haltung in einem Schlüsselmoment nationaler und europäischer Geschichte.

Karsten STEIL-WILKE
karsten.steil@cathol.lu
 
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