Vom Sowohl, als auch und der Weite und Geduld Gottes
Kommentar zum 3. Fastensonntag von Karsten Steil-Wilke (23.3.2025)
Mancher Politiker verspricht gerne, dass mit Datum seiner Amtseinführung, Zeiten beginnen in denen sprichwörtlich „Milch und Honig“ fließen werden. In der subjektiven Beobachtung meiner Umwelt scheint es aber gerade jetzt so zu sein, dass immer mehr die Boten des Untergangs, der Gewalt und der Zerstörung aus allen Löchern zu kriechen scheinen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Kost der Schrifttexte des 3. Fastensonntages wirkliche Vollwertkost, es sind unser ganzes Glaubensverstehen herausfordernde Textrealitäten. Auch Jesus begegnet in dem ihn erzählten Geschehnissen und den daran angehängten Fragen, der Verwirrtheit, der Kleinherzigkeit und einem erstarrten Gottesglauben seiner gläubigen Umgebung. Was ist geschehen?
Der für seine ausufernde Brutalität bekannte Römische Statthalter Pontius Pilatus hatte einige nach Jerusalem pilgernde Galiläer, vermutlich aus Gründen Opposition gegen die Römische Besatzung, in Jerusalem abschlachten lassen. Bei der Geschichte vom „Einsturz des Turmes“ in Schiloach handelt es sich um ein typisches unvorhersehbares Ereignis, dem 18 Menschen zum Opfer gefallen sind. Eine Katastrophe, wie sie bis heute immer wieder passiert.
Die Frage der Menschen, damals wie heute ist die gleiche geblieben: Warum lässt Gott dieses Leid zu? Ist es etwa eine Strafe für ein nicht gottgefälliges Leben? Es ist die berühmte „Theodizée-Frage“, die Frage nach dem Sinn des Leides vor dem Hintergrund eines als allmächtig und gut skizzierten Gottes. Die Antwort Jesu ist nicht leicht zu dechiffrieren. Er hat die Frage der Menschen ganz genau verstanden („Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?“, „meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten
als alle anderen Einwohner von Jerusalem?“, Lk 13, 2 und 4) Jesu Antwort scheint auf die erste Lektüre hin, die Skepsis der Menschen vor einem unberechenbaren Gott zu bestätigen, wenn er sagt: „Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“ (Lk 13, 5) und das sagt er sogar insgesamt zwei Mal. Es kommt aber noch das Gleichnis Jesu des „unfruchtbaren Feigenbaumes“, das uns eine entscheidende, andere Verständnistür aufmacht, insbesondere in den Versen Lk 13, 8-9: „Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen;
ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!“ Gottes Gerechtigkeit und Liebe und ihre Geschwindigkeit und Perspektive sind grundsätzlich andere als die des Menschen. Es sind wohlwollende, liebevolle, zärtliche Perspektiven von Geduld und Weite, von „Sowohl-als-auch“. Immer wieder praktizierte Umkehr bleibt für Jesus harte und herausfordernde geistliche Hoffnungsarbeit, die den ganzen Menschen fordert. Ein Satz der Französischen Exegetin Marie-Noëlle Thabut fasst den Anspruch der Aussagen Jesu zusammen, wenn sie schreibt: „Es sind zwei Dinge anzuerkennen: erstens, dass der Mensch die Kontrolle über die Ereignisse nicht hat, und zweitens, dass er sie durchleben muss, ohne jemals das Vertrauen in seinen Schöpfer zu verlieren. Was wir dringend ändern müssen, ist unsere Vorstellung von einem strafenden Gott. Sucht nicht nach Erklärungen für das Leid, weder durch Sünde noch durch etwas anderes, sondern lebt im Vertrauen auf Gott.“