Stellungnahme der katholischen Kirche zur Einschreibung des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung
Der von Déi Lénk angestoßene Gesetzesvorschlag zur Einschreibung des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung ist zurzeit Gegenstand von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern und Gegnern dieses Vorhabens.
Als Beweggründe der Gesetzesinitiative werden gemeinhin das Recht auf Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper und die prophylaktische Abwehr einer in unbestimmter Zukunft möglichen Schwächung oder Einschränkung der Frauenrechte in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch genannt. Als mahnende Beispiele werden in diesem Zusammenhang die USA und verschiedene europäische Länder genannt.
Die katholische Kirche in Luxemburg hat sich gegen die Einschreibung der Abtreibung als Grundrecht bzw. als Freiheitsrecht („liberté publique“) in die Verfassung ausgesprochen. Sie bleibt auch weiterhin bei ihrer Haltung aus Gründen, die im Folgenden dargelegt werden.
Grundsätzlich kommt jedem Menschen in jeder Phase seines Lebens eine unvertretbare und unveräußerliche Würde zu, auch vor seiner Geburt. Menschenwürde und Lebensschutz sind untrennbar miteinander verbunden.
Art.12 der Verfassung, nach der die menschliche Würde unverletzlich ist („la dignité humaine est inviolable“), bezieht sich auch auf das ungeborene Leben, das somit einen eigenen Schutzstatus verdient. In der bisherigen Herangehensweise ging man von der Schutzbedürftigkeit des Fötus aus, der ein eigenständiges Lebensrecht besitzt, sodass der Schwangerschaftsabbruch als Ausnahme galt, deren Bedingungen und Ausführungen in einem definierten gesetzlichen Rahmen festgehalten wurden.
Die Einschreibung als Recht oder öffentliche Freiheit in die Verfassung führt zu einem ethischen und rechtlichen Paradigmenwechsel. Denn Ausgangspunkt ist nicht mehr die Schutzbedürftigkeit und das Lebensrecht des heranwachsenden Lebens, das als eigenständiges Wesen mit eigenen Rechten wahrgenommen und gewürdigt wird, sondern die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper, von dem der Embryo als eigenes menschliches Lebewesen nicht mehr wesentlich unterschieden wird. Das Lebensrecht des ungeborenen Lebens tritt hinter das Recht auf Selbstbestimmung der Frau zurück.
Kommt es zu einem Schwangerschaftskonflikt, so stehen sich zwei Rechtsgüter gegenüber: Das Grundrecht der Selbstbestimmung der Frau und das Grundrecht des Ungeborenen auf Leben. Diese Spannung ist charakteristisch für den Schwangerschaftskonflikt, der immer ambivalent ist.
Sieht man Abtreibung maßgeblich im Kontext des Rechts auf Selbstbestimmung an, löst man unweigerlich den besagten Güterkonflikt einseitig auf.
Menschen sind nicht nur selbstbestimmte und eigenverantwortliche Individuen, sie sind in gleicher Weise auch Wesen der Beziehung und Gemeinschaft, moralische Subjekte, die nicht nur für das eigene Leben, sondern auch für das der anderen (Mit-)Verantwortung tragen. Nimmt man dies ernst, dann kann es auch in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nicht bloß darum gehen, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der einzelnen Person erlauben, zuallererst die eigenen Lebensziele selbstbestimmt zu verwirklichen.
In sozialpolitischer und auch verfassungsrechtlicher Hinsicht bleibt es wesentlich, sowohl die Interessen und Rechte von schwangeren Frauen als auch das fundamentale Lebensrecht der ungeborenen Kinder im Blick zu behalten. Konkret bedeutet dies, ein gesellschaftliches Klima und entsprechende Rahmenbedingungen als Anreize zu schaffen, dass alle Menschen sich gerne und bewusst für ein Leben mit Kindern entscheiden können. Dazu gehören weitere Verbesserungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein partnerschaftliches Verständnis bei der Kinderbetreuung bzw. die Unterstützung von alleinerziehenden Elternteilen, die Verhinderung von Kinderarmut und die Gleichberechtigung im Beruf.
Die Einschreibung eines Grundrechts auf Abtreibung in die Verfassung befördert die Logik des Rechts des Stärkeren. Das Lebensrecht des Ungeborenen wird missachtet. Die Gefahr, dass dann Abtreibung zu einem Mittel der Geburtenkontrolle wird, ist nicht von der Hand zu weisen und lässt sich vielerorts beobachten.
Es entsteht ein Konflikt mit dem „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ (UN-Kinderrechtskonvention), das 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde und 1993 in Luxemburg vom Parlament ratifiziert wurde. In Artikel 6 der Kinderrechtskonvention heißt es: „(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jedes Kind ein angeborenes Recht auf Leben hat. (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.“
Zwar lässt das Übereinkommen offen, ob das Lebensrecht des Kindes schon vor seiner Geburt besteht; anscheinend war eine in dieser Hinsicht für alle Vertragsstaaten verbindliche Konkretisierung nicht zu erreichen. Die in Absatz 2 von Artikel 6 genannte Verpflichtung, in „größtmöglichem Umfang“ das Überleben und die Entwicklung eines Kindes zu gewährleisten, erhöht jedoch die Begründungspflicht auf Seiten der politisch Verantwortlichen, sobald sie Weichenstellungen in der Verfassung oder Gesetzgebung vornehmen wollen, die das vorgeburtliche Lebensrecht des Kindes kaum mehr berücksichtigen.
Eine weitere Begründung für den Vorstoß zur konstitutionellen Einschreibung sind politische Gebärden in anderen Ländern. Es gilt allerdings mit der gebotenen Nüchternheit die Sachlage im Großherzogtum als solche zu verstehen. In Luxemburg hat sich keine politische Partei eine Abschwächung oder gar Abschaffung des geltenden Regelwerkes zum Schwangerschaftsabbruch auf die Fahne geschrieben. Die angestrebte Verfassungsänderung steht weder im Koalitionsabkommen noch stand sie in den Wahlprogrammen der Regierungsparteien.
In der besagten Debatte stehen sich die Sichtweisen, Argumente und Standpunkte (unversöhnlich) gegenüber. Eine einseitige rechtliche „Lösung“ des Schwangerschaftsabbruchs löst aber weder den individuellen Schwangerschaftskonflikt noch die gesellschaftlichen Kontroversen. Die Verfassung sollte möglichst Ausdruck für das gesellschaftliche Einvernehmen bezüglich jener Rechte sein, die sie garantieren will.
Konsens dürfte in dem Wunsch bestehen, dass Frauen und ihre Partner, die in einen Schwangerschaftskonflikt geraten, die nötige Unterstützung erfahren und die Gesellschaft insgesamt gewinnt, wenn sie kinderfreundliche Bedingungen schafft. Diese Anliegen lassen sich auch ohne Verfassungsänderung realisieren.
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